Wien – Man könnte es die Inspector-Columbo-Taktik nennen, die Richterin Nicole Baczak im Prozess gegen Helmut Pilhar anwendet. Sie gibt sich unwissend und stellt mit Unschuldsmiene Fragen. Wie beispielsweise: "Doktor Hamer ist dieser Wunderheiler?" – "Es ist mittlerweile bestätigt, dass seine ersten beiden biologischen Gesetze stimmen", antwortet der 51-jährige Angeklagte. Wie er zu dieser Behauptung kommt, bleibt offen, er verrät Baczak dafür, woher er Hamer kennt. "Vom Fall Olivia 1995. Ich bin der Vater."

Zur Erklärung: Pilhar und seine Frau waren und sind Anhänger des jüngst verstorbenen Ryke Geerd Hamer. Der Deutsche wird im Prozess konsequent mit "Doktor Hamer" betitelt, bereits 1986 wurde ihm in Deutschland die ärztliche Approbation entzogen. Hamer erfand die "Germanische Neue Medizin", wonach Krebs der Ausdruck eines seelischen Konflikts ist. Evidenzbasierte medizinische Behandlungen des Tumors lehnten er und seine Anhänger ab.

Flucht nach Spanien

So auch die Familie Pilhar, deren 1995 sechsjährige Tochter an Krebs erkrankte und einen sechs Kilogramm schweren Tumor im Bauchraum entwickelte. Als den Eltern das Sorgerecht entzogen wurde, flüchteten sie mit dem Kind nach Spanien, kehrten aber zurück. Das Mädchen konnte im Wiener AKH behandelt werden.

Von seiner Überzeugung brachte Pilhar das nicht ab. Heute hält der Ingenieur Vorträge und vertreibt unter anderem Hamers Bücher. "Werden die verkauft?", interessiert die Richterin. "Sie sehen, man hat Konkurrenz", lautet die Antwort.

Der Mitbewerb erscheint in Form des Privatklägers Björn Eybl, ebenso ein Hamer-Jünger. Er hat das Buch "Die seelischen Ursachen der Krankheit" geschrieben, laut Eigenangaben "eines der meistgelesenen medizinischen Nachschlagewerke". Pilhar hat ihm in einem Rundmail an angeblich rund 10.000 Empfänger Diverses vorgeworfen.

"Jüdische Händlerfamilie"

Eybl habe einen Ghostwriter gehabt, "entstammt einer jüdischen Händlerfamilie" (was für Anhänger der "Germanischen Neuen Medizin" offenbar eine ehrenrührige Aussage ist) und sei einmal in Moskau festgenommen worden. Es wurde also eine Privatanklage wegen übler Nachrede eingebracht, zunächst am Landesgericht Wiener Neustadt.

Pilhars Reaktion: Er zweifelte die Legitimität des Gerichts an und schrieb der Richterin drei Briefe, in denen er androhte, sie auf 30.000 beziehungsweise 300.000 Euro pfänden zu lassen. Aus Sicht der Anklage versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Vor Baczak gibt sich der Selbstständige geläutert. "Ich saß einem Irrtum auf. Im Internet fand man, dass die Staaten und Gerichte nur Firmen sind", argumentiert er. "Ich wollte, dass sich die Richterin legitimiert. Aber ich wurde ignoriert", erzählt er in ruhigem Ton.

Gründungsurkunde der Republik

Seine Anforderungen für die Legitimation sind nicht ganz leicht zu erfüllen: Unter anderem wollte er eine notariell beglaubigte Kopie der Gründungsurkunde der Republik Österreich und jene des Landes Niederösterreich. "Wo sind die denn? Wie schauen die denn aus?", will Baczak wissen. "Das weiß ich nicht." – "Aber woher hätten Sie dann gewusst, dass Ihnen die echten vorgelegt werden? Das passt doch alles nicht zusammen."

An die Sache mit den Firmen glaube er nicht mehr, im Juni habe er sich von den Staatsverweigerern, die das behaupteten, getrennt. "Als ich die Sache mit dem Personalstatut verstanden habe", präzisiert er. Die Richterin ist verwirrt, Pilhar versucht zu erklären: Derzeit will er vom Land Niederösterreich per Feststellungsbescheid wissen, ob er Österreicher ist. "Sind Sie bei einem Psychiater oder Neurologen in Behandlung?", fragt Baczak den Angeklagten. Ist er nicht.

"Die Esoterik bleibt über!"

Zur üblen Nachrede argumentiert er, er sei davon ausgegangen, dass die Dinge wahr seien. Bereits sein verstorbenes Idol Hamer habe Eybl geklagt. In diesem Zusammenhang kommt er zu einer verblüffenden Feststellung: "Nehmen Sie aus dem Eybl-Buch heraus, was von Hamer ist – was bleibt dann übrig? Die Esoterik bleibt über!"

Dieses Verfahren scheidet Baczak aus, für die Briefe an die Richterin erhält Pilhar nicht rechtskräftig ein Jahr bedingt. (Michael Möseneder, 28.7.2017)