Nicht nur in sexueller Hinsicht stimmt bei diesem Pärchen zunächst nur noch wenig: Rita Dummer und Stephan Lewetz in "Frühherbst für Anfänger", vom Therapeuten Bernhard Moritz selbst inszeniert.

Foto: Gabriele Griessenboeck

Innsbruck – Der Ratgeber liegt aufgeschlagen auf der Bühne und nimmt den gesamten – allerdings beengten – Bühnenraum des Innsbrucker Kellertheaters ein. (Bühne: Fredi Fritz). Hinter dem aufgeklappten Buchdeckel tritt das wohlsituierte Ehepaar Schäfer getrennt hervor – sie links, er rechts – und erzählt wortreich und recht aufgekratzt von Badeausflügen und Grillpartys. Dabei wird der wenig prickelnde, emotionale Istzustand des Langzeitpaares augenscheinlich.

Zweiundzwanzig Jahre ist man verheiratet, die einzige Tochter hat man soeben an den Mann gebracht, und nun zieht gähnende Leere ein: ins Leben jedes Einzelnen, in die Beziehung. Im gemeinsamen Ehebett spielt sich sowieso schon lange nichts mehr ab. Guter Rat ist also teuer. Und der wurde, just zur rechten Zeit, in Form des Ratgeberbüchleins Fit im Schritt ab 45 von anonymer Hand an der Türschwelle des – vermutlich schmucken – Einfamilienhauses abgelegt.

Und es kommt, wie es kommen muss. Die anfängliche Entrüstung ob derartiger nachbarschaftlicher Niedertracht weicht heimlicher Neugier und mündet in unverhohlenem Eifer. Und so kocht, turnt und atmet man sich zwei Stunden lang durch die einzelnen Kapitel der – Zitat – "Pimperfibel".

Vielleicht schielt man auf den rasenden Erfolg von Daniel Glattauers Wunderübung und hat dabei den hohen Altersschnitt des Kellertheaterpublikums im Auge.

Therapeutische Hilfe

Jedenfalls schickt Manfred Schild, Impresario des Hauses, dem Hype um therapeutische Aufarbeitung vertrackter Konstellationen mit seinem Stück Frühherbst für Anfänger die sexuellen Wiederbelebungsversuche eines ältersemestrigen Paares hinterher.

Ist bei der Wunderübung der Therapeut noch Teil der Handlung, liefert er hier das Basiswissen und führt Regie. Bernhard Moritz, diplomierter Paar- und Sexualtherapeut, hat selbst eine Gewusst-wie-Fibel verfasst und legt bei dieser Inszenierung Hand an.

Als Hörspiel hätte sie wohl auch funktioniert. Den beiden Darstellern ist bei dem etwas schleppenden Selbstfindungsprozess nichts vorzuwerfen. Rita Dummer gibt eine herrlich agile Maria, die beharrlich die Initiative ergreift, um ihren Mann in die Gänge zu bringen. Stephan Lewetz mimt glaubhaft den verklemmten Paul. Beim bloßen Gedanken an Körperkontakt mit seinem Gespons treibt es ihm den kalten Schweiß auf die Stirn und das blanke Entsetzen in die Augen. (Dorothea Nikolussi-Salzer, 29.7.2017)