Es war den meisten Medien keine große Meldung wert, als die wenig bekannte deutsche Industriekreditbank (IKB) am 30. Juli 2007 eine Schieflage durch den Preisverfall bei US-Immobilienkrediten bekanntgab. Aber der Kollaps der kleinen Mittelstandsbank, die zu viel Geld in US-Subprime-Papiere veranlagt hatte, trat eine Serie von Ereignissen los, deren Erschütterungen auch zehn Jahre später noch zu spüren sind. In den ersten Augusttagen kletterten die Zinsen im weltweiten Interbankmarkt in die Höhe, weil die Institute einander nicht mehr trauten. In den folgenden Monaten wurden immer mehr Banken von der Krise erfasst, bis der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 die tiefste Rezession seit den 1930er-Jahren auslöste. Von ihr haben sich manche Länder immer noch nicht ganz erholt. Aber hat die Welt aus diesem Desaster die notwendigen Lehren gezogen?

Ein Rückblick auf die damaligen Turbulenzen lässt zwei gegenläufige Lesarten zu. Anders als in den 1930er-Jahren, als Versagen auf allen Ebenen die Weltwirtschaft in den Abgrund stürzen ließ, wurde diese Krise von der Politik gemeistert. Die Notenbanken druckten billiges Geld, die Staaten nahmen Schulden auf, und selbst in der Eurozone, deren strukturelle Schwäche die Weltfinanzkrise schmerzhaft offengelegt hat, wurde das oft vorausgesagte Auseinanderfallen verhindert. Für die meisten großen Volkswirtschaften war es ein schwieriges, aber kein verlorenes Jahrzehnt.

Eine Fülle neuer Auflagen, Regulierungen und Einrichtungen haben die Finanzindustrie deutlich sicherer gemacht, die Exzesse von damals sind heute unvorstellbar. "Solange die Musik spielt, musst du aufstehen und tanzen, und wir tanzen noch": So hatte der damalige Citibank-CEO Charles Prince im Juli 2007 seine Kreditpolitik beschrieben. Kein respektabler Bankchef würde jetzt auch nur so etwas denken.

Aber etwas ist vor zehn Jahren zerbrochen, was bis heute nicht gekittet werden konnte. Wer das tiefe Misstrauen, das in der gesamten westlichen Welt den sogenannten Eliten entgegenschlägt, verstehen will, der landet bald bei den Ereignissen, die 2007 ihren Ausgang nahmen. Der dramatische Kontrollverlust, den Wirtschaft und Politik vor allem nach dem Lehman-Kollaps erlebten, hat das Vertrauen in jedes Expertentum, in die Integrität der Entscheidungsträger, in die Demokratie an sich und sogar in die Möglichkeit einer objektiven Wahrheit erschüttert. Ob die Ungleichheit seither weiter gestiegen ist, bleibt unter Ökonomen umstritten. Aber sie wird heute viel stärker auch von Menschen empfunden, die nicht unter Existenzängsten leiden.

Der Zorn, der die sozialen Medien beherrscht, der Aufstieg von Rechtspopulisten, Brexit, die Wahl von Donald Trump – all das geht auch auf die Weltfinanzkrise zurück. Die liberale Demokratie und Marktwirtschaft erlitten damals – 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer – unwiederbringlichen Schaden. Junge Menschen mögen für sich selbst optimistisch in die Zukunft blicken, für das System, in dem sie leben, tun sie es kaum.

Gerade weil die Antworten auf die Finanzkrise so technokratisch waren, werden sie dieser neuen Vertrauenskrise nicht gerecht. Und weil ohne Vertrauen auch bei Wahlen kaum vernünftige Entscheidungen möglich sind, ist die westliche Welt heute genauso gefährdet wie damals. Vor Trump und Co schützen auch keine Bankkapitalpuffer.

(Eric Frey, 28.7.2017)