Die Finanztransaktionssteuer dürfte wohl nicht mehr abheben. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sieht im Brexit ein Hindernis für die Einführung der Abgabe.

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Wien – Seit vielen Jahren wird in regelmäßigen Abständen ein Durchbruch nach dem anderen bei der Einführung einer Finanztransaktionssteuer gefeiert, um deren drohendes Scheitern zu kaschieren. Ein Vorzeigeprojekt der österreichischen Regierung wird immer stärker torpediert.

Zuletzt sprang auch noch einer der wichtigsten Verbündeten ab: Frankreich. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble verfolgt die Einführung auf eine Umsatzsteuer auf Börsentransaktionen eher aus Rücksicht auf den Koalitionspartner denn aus Überzeugung. Die Abgabe soll Einahmen aus den billionenschweren Geschäften an den Börsen sichern und zudem Spekulation eindämmen.

Rückschlag für Schelling

Der neue französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire war am Wochenende zu Gast bei Hans Jörg Schelling. Der österreichische Ressortchef koordiniert die Ambitionen jener zehn Länder, die bei der Finanztransaktionssteuer voranschreiten wollen, nachdem es weder auf EU- noch auf Euro-Ebene zu einem Konsens gekommen war.

Le Maires Sichtweise betreffend die Steuer: "Wir sind blockiert." Daher will er die Gespräche vom politischen Parkett verbannen. Obwohl schon zahlreiche Fachleute mit dem Thema befasst waren und mehrere Studien durchgeführt wurden, will Le Maire eine Expertengruppe befassen, um die technischen Probleme zu lösen.

Wettbewerb um Jobs

Weiterer Knackpunkt, der von Diplomaten als eigentlicher Grund für das Pariser Bremsmanöver gesehen wird: "Wir müssen die Auswirkungen des Brexit berücksichtigen", wie der französische Minister einräumt. Dass man mit dem Rückzieher Banken aus London zur Übersiedelung nach Paris bewegen will, bestreitet der Minister nicht. Er betont aber gleichzeitig, dass Frankreich bereits seit 2012 über eine derartige Börsensteuer verfügt.

Deshalb hält er den moralischen Zeigefinger vieler Kritiker für unangebracht. "Wer immer eine Finanztransaktionssteuer haben will, soll sie so wie in Frankreich einführen." Auch Schäuble hatte kürzlich gemeint, dass wegen der Brexit-Verhandlungen ein "großzügigerer Zeithorizont" notwendig sei. Le Maire stellt aber klar, dass man bei der Finanztransaktionssteuer an einem Strang ziehen werde, wenn die technischen Probleme gelöst sein sollten.

Wettbewerb um Londoner Banker

Paris, Frankfurt, Dublin und einige andere Metropolen ringen derzeit um die Ansiedlung internationaler Banken, die ihr Geschäft in der EU derzeit von London aus steuern. Dabei geht es um tausende Jobs und hunderte Milliarden an Bilanzsumme und Börsenumsatz. Die EU will im Finanzgeschäft eine harte Position in den Brexit-Verhandlungen einnehmen. Das heißt konkret: Banken, die EU-weit operieren wollen, brauchen einen europäischen Pass und damit einen Sitz in der Union. Und: Das überaus wichtige Geschäft der Abwicklung von Euro-Zins- und Währungsinstrumenten, das derzeit überwiegend in London erfolgt, soll auf den Kontinent wandern.

Le Maire traf am Wochenende auch Vertreter österreichischer Betriebe, die in Frankreich aktiv sind. Er will sein Land möglichst attraktiv für ausländische Investoren gestalten. Sein Credo: Steuer und Ausgaben senken, Defizit und Regulierung abbauen. Konkret: Bis 2022 sollen die Abgaben um einen Prozentpunkt des Bruttoinlandsprodukts, die Staatsausgaben um drei Prozent zurückgeführt werden.

Paris will Regeln einhalten

Das notorisch über der Schwelle des Stabilitätspakts liegende Haushaltsminus soll schon heuer unter die Marke von drei Prozent sinken. "Es ist sehr wichtig, die europäischen Regeln einzuhalten", versichert Le Maire, auch wenn diese nicht konsistent seien. Ebenfalls ganz oben auf der Aufgabenliste steht die Arbeitsmarktreform, denn das zentrale Vorhaben der Regierung unter Präsident Emmanuel Macron sei, die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs zu erhöhen.

Nicht so gern spricht Le Maire über die Teilverstaatlichung der Schiffswerft STX, die Paris den Vorwurf einbrachte, trotz politischen Wechsels an der traditionell zentralistischen Politik Frankreichs festzuhalten. Hintergrund ist die Übernahme des Konzerns durch die italienische Gruppe Fincantieri, die Macron nicht behagt. Le Maire will das Thema kommende Woche bei einem Besuch in Rom erörtern. Eine Botschaft bringt er dabei mit: Der Einstieg des Staates bei der Werft STX sei eine kurzfristige Maßnahme, eine Übergangslösung für "Wochen oder wenige Monate", wie Le Maire erklärte. (Andreas Schnauder, 30.7.2017)