"Mehr vom Herzen als vom Kopf".

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Mogyorod/Budapest – In Lewis Hamilton tobte das Gefühlschaos. Noch Stunden nach seiner Fairplay-Geste von Ungarn, mit der er drei Punkte im Titelrennen mit Sebastian Vettel verschenkte, haderte der Mercedes-Pilot mit seiner Entscheidung. "Ich will die WM auf die richtige Weise gewinnen. Keine Ahnung, ob ich damit auf den Hintern falle", sagte Hamilton nach dem Rennen auf dem Hungaroring.

Dass der Brite seinen Teamgefährten Valtteri Bottas kurz vor dem Ziel wieder vorbeiließ, bescherte der Formel 1 zum Start der Sommerpause eine Debatte über Teamorder und Mannschaftsgeist. Anders als Mercedes nämlich hatte Ferrari wie einst in der Ära Michael Schumacher alles auf seinen Starpiloten Vettel gesetzt, obwohl der WM-Spitzenreiter fast das gesamte Rennen von einer verstellten Lenkung gebremst wurde.

Der schnellere Kimi Räikkönen durfte nicht zum Sieg vorbeifahren und musste stattdessen bis zum Schluss Abschirmdienste für den Deutschen verrichten. "Das Ergebnis zählt", betonte Vettel, der seinen Vorsprung auf Hamilton wieder von einem auf 14 Punkte ausbaute.

"Mehr vom Herzen"

So kühl funktioniert die Rechnung bei Mercedes nicht. Der Entschluss, seinen Podiumsplatz auf den letzten Metern für Bottas zu räumen, sei "mehr vom Herzen als vom Kopf" gekommen, bekannte Hamilton. "Es war eine Grauzone. Ich glaube nicht, dass ich diese drei Punkte je wiederbekomme." Doch weil Bottas ihm zunächst Platz gemacht hatte, fühlte sich Hamilton an die Absprache gebunden und ließ den Finnen nach der vergeblichen Jagd auf die Ferrari wieder passieren. "Wenn ich die WM mit drei Punkten oder so verliere, weiß ich nicht, was ich dann sage", gestand Hamilton.

Teamchef Toto Wolff steckte mit im Gewissenskonflikt. "Manchmal ist es wirklich hart, an seinen Werten festzuhalten. So war es heute. Ich fühle mich schrecklich", betonte der Österreicher. Doch die Spitze der Silberpfeile beharrt weiter auf ihrem Mantra der gleichberechtigten Piloten, so lange keiner der beiden aussichtslos im Titelkampf ist. "Zu seinem Wort zu stehen, wird uns weitere Weltmeisterschaften bringen", versicherte Wolff.

Handicap der Winkel

Erstmals nach drei Jahren Dominanz geht jedoch kein Mercedes-Fahrer als WM-Führender in die vierwöchige Rennpause. Die Schwäche des neuen Silberpfeils auf winkeligen Kursen wie Monaco, Österreich und Budapest droht im Kampf gegen Vettels Ferrari-Crew zum schweren Handicap zu werden, zumal Hamilton auf diesen Strecken offenbar noch größere Probleme als Bottas hat. "Ich würde am liebsten nächstes Wochenende wieder fahren, um das auszumerzen", sagte Wolff vor der vierwöchigen Sommerpause bis Spa am 27. August.

Auch der schwer erleichterte Vettel, der zuvor zwei Monate auf seinen vierten Saisonsieg warten musste, spürte Lust auf einen Nachschlag. "Nach einem positiven Rennen wie diesem mit einem tollen Ergebnis und einem Auto, das läuft, willst du eigentlich gleich das nächste fahren", gab der 30-Jährige zu Protokoll.

Doch ein Blick auf seine erschöpfte Mannschaft bremste den Eifer des WM-Führenden. "Wir haben bisher alles herausgeholt und brauchen etwas Erholung, um die Batterien aufzuladen und dann im Rest der Saison sogar noch mehr zu geben", sagte Vettel. Sein Projekt fünfter Titel ist wieder voll auf Kurs.

Friede, Freude, Eierkuchen

Unterdessen will Daniel Ricciardo nach einer Aussprache den Zwist mit Red-Bull-Teamkollege Max Verstappen hinter sich lassen. "Max hat sich nach dem Rennen bei mir entschuldigt, und wir haben abseits der Medien und aller anderen miteinander geredet", twitterte der Australier am Montag.

Beim elften Saisonrennen in Ungarn war ihm Verstappen am Sonntag nach einem Fahrfehler kurz nach dem Start so heftig ins Auto gekracht, dass Ricciardo aufgeben musste. Danach hatte er den Niederländer im Boxenfunk als "schlechten Verlierer" und "Amateur" beschimpft und dessen Manöver als "dumm" bezeichnet.

"Das war schwer zu verkraften. Man bereitet sich den ganzen Tag auf diese zwei Stunden Rennen vor, und dann ist es einfach so vorbei", begründete Ricciardo am Tag darauf seinen Ärger. Verstappen hatte als Schuldiger des Unfalls eine Zehn-Sekunden-Zeitstrafe erhalten und wurde am Ende Fünfter. "Die Situation wurde auf die richtige Art gelöst, damit es weitergehen kann", schrieb Ricciardo und drückte seine Vorfreude auf das nächste Rennen in vier Wochen in Spa-Francorchamps aus. (APA, 31.7.2017)