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Ramush Haradinaj könnte, wenn seine langfristigen Pläne nun aufgehen, der nächste Regierungschef des Kosovo werden.

Foto: Reuters / Hazir Reka

Sarajevo/Prishtina – Bis Anfang nächster Woche muss die neue kosovarische Regierung gewählt sein – und da Präsident Hashim Thaçi schon für Donnerstag eine konstituierende Sitzung des Parlaments anberaumt hat, gehen in Prishtina manche Beobachter davon aus, dass die Wahlkoalition Pan dann tatsächlich in der Lage sein wird, mithilfe kleiner Parteien die notwendigen 61 Stimmen zusammenzukratzen. Zu Pan mit 39 Sitzen gehören die PDK, die Nisma und die AAK: Alle drei werden von ehemaligen Kämpfern der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK dominiert. Teil der Koalition soll auch die von Belgrad beeinflusste Serbische Liste sein.

Deutliche Verluste für die Regierung

Neben anderen Minderheitenvertretern wollen noch drei Kleinparteien die Koalition unterstützen. Allerdings fehlen dann immer noch zwei Stimmen – entweder von der sozialdemokratisch orientierten LDK oder der linkspopulistischen Vetëvendosje (Selbstbestimmung). In Prishtina wird gemunkelt, dass man bereits zwei Mandatare mit Geld "überzeugt" hat. PDK-nahe Quellen sprechen sogar von insgesamt 62 Stimmen, die für die Koalition stimmen könnten.

Die Parteiführungen der LDK und VV wollen keinesfalls koalieren, eine andere Regierung ist zurzeit aber sehr unwahrscheinlich. Es kann aber auch sein, dass der Versuch der Pan, eine Regierung zu stellen, noch scheitern wird. Abgesehen von der sehr knappen Unterstützung, hätte die Regierung auch wenig Legitimität. Denn obwohl die Pan die meisten Stimmen bekommen hat, hat doch die zu ihr gehörende und bisher regierende Partei DPK unter dem früheren UÇK-Kämpfer Kadri Veseli deutlich verloren.

Auch Ramush Haradinajs AAK ist im Kosovo eine lokale Erscheinung, nämlich im Gebiet Dukagjin. Die Tatsache, dass Haradinaj trotzdem Premier werden soll, ist eigentlich nur einem Deal geschuldet, der bereits vor vielen Jahren getroffen wurde: Dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag stellte er sich zum zweiten Mal nur unter der Voraussetzung, dann Premier werden zu können. Weil Thaçi dies allerdings nach der Rückkehr Haradinajs 2012 verweigerte, unterminierte Letzterer in den vergangenen Jahren die Regierungspolitik nach dem Motto "Ohne mich geht gar nichts".

Politiker mit Imageproblemen

Mit Thaçi hat der Kosovo bereits einen Präsidenten, der stark polarisiert und alles andere als ein gutes Image hat. Wenn der kleine Balkanstaat nun auch noch einen umstrittenen Premier bekommen soll, wird auch der notwendige Dialog mit Serbien nicht leichter. Haradinaj wurde erst im Jänner wegen eines serbischen Haftbefehls in Frankreich verhaftet und monatelang festgehalten.

Der Dialog mit Serbien könnte eine neue Dynamik bekommen. Denn der serbische Präsident Aleksandar Vučić hat kürzlich in einem Artikel für die Zeitung Blic geschrieben, dass die serbische Nation im Fall Kosovo damit aufhören müsse, "den Kopf in den Sand zu stecken", und einen "inneren Dialog" beginnen müsse: "Wir müssen versuchen, realistisch zu sein – und nicht das verlieren oder weggeben, was wir haben; aber andererseits auch nicht erwarten, das zu bekommen, was wir seit langem verloren haben."

Vučić machte bereits vor einigen Wochen einen Anlauf, die Verfassung zu ändern. Der Kosovo ist dort bisher als immerwährender integraler Teil des Staates festgeschrieben. Es ist unter anderem dieser Passus, der langfristig die Anerkennung des Kosovo als Staat verhindert. Der Kosovo hatte sich im Jahr 2008 für unabhängig erklärt. Allerdings war der frühere Teil Serbiens de facto bereits ab Kriegsende 1999 nicht mehr unter der Kontrolle Belgrads.

Die EU besteht auf der "Normalisierung", um eine EU-Annäherung möglich zu machen. Vučić meinte nun, dass Serben und Albaner eine Lösung finden müssten, die dauerhaft sei und der Region dienen solle. Diese Aufgabe solle man nicht der nächsten Generation aufbürden.

Der Text von Vučić wurde von kosovarischer Seite begrüßt. Allerdings ist Serbien von einer tatsächlichen Anerkennung des Kosovo noch weit entfernt. (Adelheid Wölfl, 1.8.2017)