Feministisch erbauliche Serien wie "Glow" (Netflix) sind das eine – "fade" frauenpolitische Dauerbaustellen wie die Pensionslücke das ganze andere.

Foto: Netflix

Es ist eine seltsame Gemengelage. Eine zwischen spür- und sichtbarem Fortschritt und zermürbender Stagnation bezüglich faktischer Gleichstellung. Aber erst zu den guten Nachrichten, von denen die Frauenfußball-EM nur die jüngste ist. Die sportliche Leistung des österreichischen Nationalteams hat mit Feminismus erst einmal nicht viel zu tun. Trotzdem verdeutlicht sie eindrücklich, wie rückschrittlich viele Debatten der vergangenen Jahre waren. Allen voran jene um die Töchter in der Bundeshymne, die bei der derzeitigen EM nicht zu erwähnen wohl höchst seltsam wäre. Manche Diskussionen scheinen in der Tat überwunden – oder richten sich selbst.

Und auch in der Popkultur lässt man alte Gewohnheiten hinter sich: Nur fesch und auf der Suche nach dem Traummann scheint passé zu sein für TV-Frauen. Sie gehen als Wrestlerinnen, Gefängnisinsassinnen oder Stalkerinnen auf Sendung. Über Wonder Women staunte man an dieser und vielen anderen Stellen – und Dr. Who ist jetzt auch eine Frau. Auch ein Interviewer wie Claus Kleber, der Maria Furtwängler "Geschlechterproporz" vorwirft, wirkt heute nur noch skurril.

Gendermainstreaming-Panik

Furtwängler hat bekanntlich eine Studie über die trotz der vielen neuen Rollen- und Nachbesetzungen herrschende Geschlechterschieflage in TV und Film initiiert – und wunderte sich sichtlich über die Gendermainstreaming-Panik des Moderators. Herzeigbares aus feministischer Sicht gab es zuletzt auch in der bildenden Kunst. Seien es umfangreiche Ausstellungen wie derzeit in Wien über die "Feministische Avantgarde" oder honorige Auszeichnungen für explizit feministische Künstlerinnen wie Renate Bertlmann, die den Großen Österreichischen Staatspreis 2017 erhalten hat, oder Carolee Schneemann, die heuer mit dem Goldenen Löwen auf der Biennale von Venedig geehrt wurde.

Keine Nachricht, deshalb berichten wir

Doch das alles sollte die andere Seite, die mit den vielen schlechten Nachrichten, nicht überstrahlen. Es sind jene, die im Grunde keine Nachrichten mehr sind, weil sich seit Jahrzehnten nichts bewegt. "Frauen verdienen in Österreich deutlich weniger als Männer. Das ist nichts Neues – und genau deshalb berichten wir darüber", begründete "ZiB"-Moderatorin Lou Lorenz-Dittlbacher einen Beitrag zum Equal Pension Day, heuer am 27. Juli. Um 40 Prozent bekommen Frauen weniger Pension. Eine riesige Kluft, die allerdings für wenig Aufregung sorgt – auch bei der Frauenministerin.

Retro-Aussagen

Denn die Ansagen von Pamela Rendi-Wanger im Interview in der besagten "ZiB"-Sendung geben wenig Hoffnung, dass sich in naher Zukunft etwas ändern könnte. Sie betonte zwar, wie wichtig ihr der Kampf gegen Frauenarmut im Alter sei – doch ohne konkrete Rezepte und ohne schärfere Ansagen, für die die Zeit doch längst gekommen wäre. Und die Feststellung, die Fußballerinnen hätten schließlich bewiesen, dass "Frauen und Mädchen alles können", ist schlichtweg retro.

Ein drohendes Szenario angesichts der wenigen, aber schillernden Fortschritte für Frauen auf der einen Seite und des Stillstands auf der anderen lautet schlicht Entsolidarisierung. Während Frauen, die gutbezahlte Jobs ausüben und in der Öffentlichkeit stehen, zunehmend Druck über ebendiese Öffentlichkeit für mehr Fairness ausüben könnten, bleibt für Frauen in Niedriglohnbereichen unter Ausschluss der Öffentlichkeit alles beim Alten. Frauen in der Pflege oder im Handel werden nichts von den diverseren Kulturgütern haben – denn es ist ein fataler Fehlschluss, dass derartige Symboliken schon das Ihrige bewirken würden. Schon gar nicht, wenn sich bessergestellte Frauen ausschließlich in einer Welt bewegen, in der zumindest für sie selbst schon alles in Ordnung ist. (Beate Hausbichler, 2.8.2017)