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Ein Treffen von Teilen des palästinensischen Parlaments vergangene Woche in Gaza: Von den Vereinigten Arabischen Emiraten war Mohammed Dahlan zugeschaltet, einst Sicherheitschef in Gaza.

Foto: AP / Adel Hana

Gaza-Stadt/Ramallah/Wien – Erschöpfung, das ist die summarische Diagnose, die Mahmud Abbas, der am Freitag kurzfristig ein Krankenhaus in Ramallah aufsuchen musste, gestellt wird: Der 82-jährige Palästinenserpräsident leidet unter Herzproblemen, und der Stress der Tempelbergkrise hat wohl seinen Zoll gefordert – sowie die Kritik daran, dass Abbas, als die Krise ausbrach, nicht sofort aus China zurückkehrte.

Aber mindestens so sehr wird ihn aufgeregt haben, was sich am Donnerstag im von der Hamas seit 2007 allein kontrollierten Gazastreifen abspielte. In Gaza-Stadt traf seit zehn Jahren erstmals das palästinensische Parlament zusammen, oder zumindest Teile davon: Hamas-Abgeordnete sowie aus dem Westjordanland angereiste Parlamentarier, die Abbas kritisch gegenüberstehen. Als Redner war per Video aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) Mohammed Dahlan zugeschaltet. Das ist Abbas’ früherer Sicherheitschef im Gazastreifen, mit dem er sich 2010 überwarf und der in der Folge aus der Fatah-Partei ausgeschlossen wurde.

"Machtaufteilung"

Dahlans Auftritt war eine Besiegelung eines Deals zur – wie es allgemein genannt wird – "Machtaufteilung" zwischen ihm und der Hamas. Er wurde in den vergangenen Wochen in Kairo ausgehandelt. Als Fatah-Mann fürs Grobe war Dahlan für die Hamas stets ein rotes Tuch – und innerhalb der islamistischen Partei ist die neue Zusammenarbeit deshalb umstritten, manche sprechen gar von einer Spaltung.

Der Deal wird vom neuen Chef der Gaza-Hamas verantwortet: Yahya Sinwar hatte zwanzig Jahre in israelischer Haft verbracht, bis er 2011 beim Gefangenenaustausch für den israelischen Soldaten Gilad Shalit freikam. Dementsprechend galt er als Hardliner, als er im Februar die Führung übernahm. Er ist aber offenbar pragmatisch genug, um Kompromisse zu schließen – um die immer tiefer werdende Isolation der Hamas zu beenden, die soeben den Mentor Katar verliert. Die Hamas hat auch immer weniger Rückhalt in der Bevölkerung des Gazastreifens. Ihre Lage ist verzweifelt, sie wird als schlimmer als unmittelbar nach den letzten Kriegen mit Israel beschrieben.

Dazu hatte Abbas beigetragen: Nach allen gescheiterten Versöhnungsinitiativen der letzten zehn Jahre versuchte er zuletzt, die Hamas in die Knie zu zwingen, indem er die Gehaltszahlungen an öffentliche Angestellte im Gazastreifen drastisch beschnitt und die Bezahlung von Gazas Stromrechnungen an Israel reduzierte.

Dahlan, 55, der aus dem Gazastreifen stammt und vorläufig im Ausland bleiben will, bringt nun eine Reihe von Einstandsgeschenken mit: Ägypten liefert Treibstoff, damit das Elektrizitätswerk in Gaza wieder in Betrieb gehen kann – und hat vor allem in Aussicht gestellt, ab Ende August den Grenzübergang in Rafah wieder zu öffnen. Die VAE wollen den Bau eines Elektrizitätswerks auf ägyptischer Seite in Rafah finanzieren. Dahlan hat weiter dafür gesorgt, dass Familien zehn Jahre nach dem Bürgerkrieg zwischen Fatah und Hamas Entschädigungen für die damals Gefallenen erhalten.

Aus der Fatah kommt offiziell nur Hohn für das Hamas-Dahlan-Projekt, das sich ja wirklich noch in der Anfangsphase befindet. Aber Abbas wird der große Verlierer sein, wenn es funktioniert. Beobachter sehen allerdings auch eine weitere Gefahr für die palästinensischen Staatsträume: Die Trennung zwischen Gazastreifen und Westjordanland wird vertieft.

Gewinner und Verlierer

In Israel befürchtete man in den vergangenen Wochen, die katastrophale Lage im Gazastreifen würde die Hamas veranlassen, einen Krieg vom Zaun zu brechen. Israel kann zwar nun nicht froh darüber sein, dass die Hamas am Ruder bleibt. Aber Dahlan – dem auch Ambitionen aufs Präsidentenamt nachgesagt werden, die er bestreitet – war in israelischen Sicherheitskreisen stets der Favorit für eine Zusammenarbeit. Die Einbindung Ägyptens in das Arrangement würde für Israel eine gewisse Garantie bedeuten.

Kairo wiederum hofft, dass Verbindungen zwischen Gazastreifen und radikalen Islamisten auf dem Sinai gekappt werden, wenn die Hamas – oder zumindest Teile davon – mitmacht. Die Hamas hat sich in ihrer neuen Charta im Mai etwas von der ägyptischen Muslimbruderschaft distanziert.

Und nicht umsonst sind Ägypten und die VAE die großen Macher, die Dahlan unterstützen: Denn es geht natürlich auch darum, dem großen Muslimbrüder- und Hamas-Protektor Katar sein Betätigungsfeld zu nehmen und den Einfluss der Türkei zu schwächen. So ist der Gazastreifen auch ein Schauplatz der Katar-Krise. (Gudrun Harrer, 1.8.2017)