Washington/Wien – "Drei Stabschefs in weniger als drei Jahren Präsidentschaft: Mit ein Grund, warum Barack Obama es nicht schafft, seine Agenden umzusetzen": Der Kritiker, der im Jänner 2012 mit dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama ins Gericht ging, war kein Geringerer als der heutige Präsident Donald Trump.

Damals, fünf Jahre vor seiner eigenen Präsidentschaft, hatte Trump noch leicht reden. Tatsächlich kam es in Obamas achtjähriger Amtszeit immer wieder zu hochrangigen Personalrochaden. Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius trat im April 2014 zurück, sein Justizminister Eric Holder im darauffolgenden September, Verteidigungsminister Chuck Hagel im November 2014. Der Armeechef in Afghanistan, Stanley McChrystal, musste 2010 gehen, weil er sich öffentlich kritisch über Obamas Regierung geäußert hatte. Ende 2012 ging auch CIA-Chef David Petraeus.

Nach den ersten 100 Tagen im Amt gab es auch unter Obama einige Rücktritte auf mittlerer Ebene. Doch das Tempo, in dem derzeit Trump sein hochrangiges Personal wechselt, ist atemberaubend.

Seitdem der neue Präsident Ende Jänner sein Amt angetreten hat, haben bereits neun Top-Mitarbeiter ihre Jobs wieder verlassen – und das in nur knapp sieben Monaten. Und der nächste Kandidat, Justizminister Jeff Sessions, steht schon auf der Abschussliste.

Die bisherigen Rücktritte und Entlassungen im Team Trump

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Den Anfang machte die Justizministerin Sally Yates, die Ende Jänner hinausgeworfen wurde. Trump entließ die noch von Obama eingesetzte Ministerin, nachdem sie die von ihm verlangten Einreiseverbote für Bürger aus sieben muslimisch geprägten Ländern angeprangert hatte.

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Nach nur dreieinhalbwöchiger Amtszeit ging im Februar der Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn, dem seine dubiosen Russland-Kontakte zum Verhängnis wurden. Im Gespräch mit Vizepräsident Mike Pence hatte er irreführende Angaben zu seinen Telefonaten mit dem russischen Botschafter gemacht. Ans Licht kam, dass Flynn im Dezember entgegen seiner Darstellung mit dem Botschafter über die gegen Russland verhängten Sanktionen gesprochen hatte. Flynn trat auf Aufforderung des Präsidenten zurück, Trump bezeichnete ihn allerdings als Opfer einer Medienkampagne.

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Ende März verließ Katie Walsh, Stellvertreterin des Stabschefs Reince Priebus, das Team. Sie gilt als Teil des republikanischen Establishments.

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Die Stellvertreterin des damaligen Nationalen Sicherheitsberaters Flynn, K. T. McFarland, machte es ihrem früheren Chef nach und trat Anfang April zurück. Sie soll nun Botschafterin in Singapur werden.

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James Comey, der noch von Obama ernannte Direktor der Bundespolizei FBI, wurde völlig überraschend Anfang Mai von Trump gefeuert. Auch wenn Mitarbeiter eines Vorgängerpräsidenten generell auf wackligeren Sesseln sitzen, bleiben die Gründe der Entlassung dubios. Eine Begründung ist laut Trump "dieses Russland-Ding", also die von Comey geführte Untersuchung der Russland-Kontakte von Trumps Wahlkampfteam. Doch auch nach Comeys Rauswurf ist der Druck auf Trump weiter gestiegen. Das Justizministerium hat einen Sonderermittler auf die Affäre angesetzt, und Comey selbst sagte im Senat aus, er sei von Trump wegen der Ermittlungen bedrängt worden. Das nährt den Verdacht der Justizbehinderung.

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Michael Dubke, Trumps erster Kommunikationsdirektor im Weißen Haus, nahm Ende Mai den Hut – "aus persönlichen Gründen", wie er erklärte. Näher äußern sich weder Dubke noch das Weiße Haus zu den Hintergründen.

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Der Pressesprecher Sean Spicer trat Ende Juli zurück, nachdem Anthony Scaramucci zum neuen Kommunikationschef – und damit zu seinem Vorgesetzten – ernannt worden war. Zusammen mit Stabschef Priebus hatte sich Spicer laut Medienberichten der Einsetzung Scaramuccis widersetzt. Der Abgang seines Sprechers wurde von Trump zweifellos goutiert. Der Präsident war ihm offenkundig von Anfang an unzufrieden, Spicer gab eine unglückliche Figur ab.

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Eine Woche nach Spicer warf auch Stabschef Reince Priebus hin. Vorangegangen war eine – offenbar zumindest teilweise mit Trumps Segen geführte – Kampagne des neuen Kommunikationschefs gegen Priebus. Scaramucci bezichtigte den Stabschef, hinter der Weitergabe von Insiderinformationen an die Medien zu stecken. In einem Telefonat mit einem Reporter beschimpfte er Priebus sogar als "verdammt paranoiden Schizophrenen". Priebus' Abgang dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass Trump ihn nicht für durchsetzungsfähig genug hielt, das Weiße Haus und die Zusammenarbeit mit dem Kongress effizient zu managen.

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Der aktuelle Abgang von Anthony Scaramucci stellt den bisherigen Höhepunkt dar. Mit seinen derben Formulierungen gegenüber einem Reporter überspannte er sogar Trumps Geduldsfaden. Und das, obwohl Scaramucci mit seinem Mobbing gegen Priebus offenkundig im Sinn des Präsidenten gehandelt hatte. Scaramucci hilft es nicht, dass er beteuert, die Äußerungen seien nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen. Seine Entlassung wurde offenbar vom neuen Stabschef John Kelly veranlasst.

Einige Scaramucci Zitate im Video
DER STANDARD

Mit nur zehn Tagen hält der Kommunikationsdirektor den Rekord – so kurz war bisher kein anderer hochrangiger Regierungsmitarbeiter Trumps im Amt.

Kommunikationschef von Reagan nur eine Woche im Amt

Scaramucci ist dennoch nicht der kürzestdienende Kommunikationsdirektor der US-Geschichte. 1987 wurde dem Kommunikationsdirektor Ronald Reagans, John Koehler, seine Nazi-Vergangenheit zum Verhängnis, wie die "Washington Post" berichtete. Nach nur einer Woche musste er wieder seinen Hut nehmen.

Der Politikwissenschafter Larry Sabato hat 35 unfreiwillige Entlassungen hochrangiger Mitarbeiter im Weißen Haus zwischen 1946 und 2014 analysiert. Demnach sprachen Richard Nixon und Jimmy Carter die meisten Entlassungen aus, nämlich fünf.

Die 2014 auf "Politico" veröffentlichten Studie zeigte auch, dass die Entlassungen nur geringen Einfluss auf die Popularität eines Präsidenten hatten. Wenn aber, dann wirkten sie sich eher negativ auf die Beliebtheit aus. (saw, mvu, APA, 1.8.2017)