Die höhlenbewohnenden Krebstiere gleichen eher Hundertfüßern. Einige der von ihnen produzierten Giftstoffe waren bisher unbekannt.

Foto: Björn Marcus von Reumont/Universität Leipzig

Leipzig – Remipedia zählen zwar zu den Krebstieren, sie besitzen jedoch nur wenig Ähnlichkeit mit Krabben und Hummern. Vielmehr gleichen sie landlebenden Hundertfüßern – mit dem entscheidenden Unterschied, dass sie hauptsächlich in Höhlensystemen im Meer zu finden sind. Eine internationale Forschergruppe hat nun entdeckt, dass einige dieser seltsamen Arten für den Beutefang bisher unbekannte Gifte entwickelt haben.

Diese etwa vier Zentimeter großen, blinden Wesen leben in Höhlensystemen in der Karibik, auf den Kanaren und in Australien, die unterirdisch mit dem Meer verbunden sind und deshalb eine Salz- und eine Süßwasserschicht haben. "Über die Biologie dieser Remipedia ist durch diesen schwierig zu erforschenden Lebensraum noch wenig bekannt", sagt Björn Marcus von Reumont von der Universität Leipzig. Vor seinen Studien mit Kollegen aus London und Brisbane sei sogar unklar gewesen, ob die Tiere tatsächlich Gifte besitzen. Es wurde immer aufgrund ihres hundertfüßerartigen Aussehens vermutet, dann aber auch wieder angezweifelt.

32 unterschiedliche Toxin-Proteine

"In ihrer dunklen Umgebung macht der Einsatz einer der wichtigsten evolutionären Entwicklungen im Tierreich – Gift – durchaus Sinn. Unsere Ergebnisse zeigen, dass sie dabei ein Multikomponenten-Gift mit 32 verschiedenen Toxin-Proteinen verwenden. Einige der Proteine sind strukturell bekannten Neurotoxinen ähnlich und lähmen die Beute vermutlich zunächst. Dann werden andere Toxine injiziert, die unter anderem die innere Struktur der Beute auflösen. Am Ende kann dann die verflüssigte Beute eingesaugt werden", erklärt der Biologe.

Neu sei die Erkenntnis, dass diese Remipedien offensichtlich eigene Toxine entwickelt haben. Diese Peptide sind von Reumont zufolge bisher von keiner anderen Art bekannt. Der Giftcocktail enthalte auch ein potentielles Nervengift, das dem von Trichternetzspinnen sehr ähnlich ist. Gerade diese Strukturen sind jüngst in den Fokus der angewandten Forschung gerückt, weil sie bei der Entwicklung hochspezifischer Insektizide oder pharmazeutischer Wirkstoffe verwendet werden. (red, 1.8.2017)