It might get loud: Silberkinn J. R. Robinson und Esther Shaw (Bildmitte) alias Wrekmeister Harmonies konzertieren mit ihrem Dröhnland-Rock am Mittwoch im Wiener Rhiz.

Foto: Thrill Jockey

Wien – Am Ende des aktuellen Albums von Wrekmeister Harmonies namens Light Falls zerstampfen und zermahlen Bass und Schlagzeug im Stück Some Were Saved Some Drowned den alten Festkörper Rock 'n' Roll zum Granulat. Darüber brechen sich eine zur Heulboje umgebaute Gitarre sowie von der Gewinnung saurer Milch bekannte Streichinstrumente ihre Bahn durch mit dem Ellbogen gespielte SchutzmauerKeyboards.

Thrill Jockey Records

Im zähen Duktus des aus den späten 1980er-Jahren bekannten Noiserock im Stile altvorderer US-Ungustln wie Killdozer oder den vergessenen britischen Brülltieren Fudge Tunnel (Hate Songs In E Minor, 1991!!!) bleiben allerdings einige Konstanten angloamerikanischer Selbstzerfleischungs- oder Weghackmusik erhalten. Das Leben ist kein Beach-Boys-Song. Am Ende ist die Sonne weg, und es wird dunkel. Und Wut kocht schneller als Wasser.

J. R. Robinson, der Frontmann des gemeinsam mit Esther Shaw betriebenen offenen, von Chicago aus operierenden Bandprojekts Wrekmeister Harmonies, brüllt ziemlich nine-inch-nailig Gewissheiten, mit denen man heutzutage daheim in Amerika zumindest noch Kreationistenkreise hinter dem Ofen hervorlocken kann: "There is no God! There is no God! There is no God!"

Rock und seine in den 1990er-Jahren zunehmend vom breitbeinigen Machogestus zur X-beinigen Neurosenpflege des Grunge mutierte Spätform werden zwar nie die einstigen Vorgaben des Blues und seine exemplarisch von AC/DC destillierten Riffvorgaben im grundsätzlichen Viervierteltakt überwinden können. Insofern war damals mit Nirvana und den Folgen ein sich bis heute wie ein Strudelteig ziehender Endpunkt erreicht.

Gut verputzte Lärmwände

Mit im New Yorker Avantgarderock der 1970er-Jahre geschulten und von Sonic Youth bekannten, eiernden und dengelnden Gitarren sowie einer Affinität zu reinem, also inhaltlich nicht vorbelastetem Lärm als schlichter Überwältigungsstrategie gelingt Wrekmeister Harmonies allerdings die Quadratur des Kreises. Fast. Ein Etappensieg auf halber Strecke.

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Nach diversen Arbeiten bezüglich J. R. Robinsons eigenbekundeten Lebensthemas vom Leben als langem, beständigem Verfallsprozess, dem Schwinden des Lichts hin zur Dunkelheit und dem Ende der Unschuld im Übel der modernen Gesellschaft fällt das neue Album Light Falls natürlich nicht aus dem Rahmen. Inspiriert von Primo Levis erschütterndem autobiografischem Auschwitzbericht Ist das ein Mensch? verlässt Robinson allerdings frühere Ambient- und Drone-Muster, die mit gut verputzten Lärmwänden konterkariert wurden.

Er nähert sich gemeinsam mit Mitgliedern des kanadischen Bandkollektivs Godspeed You! Black Emperor einer Form von sich atmosphärisch aufbauender Kammermusik mit – Vorsicht, Melodie! – durchaus kitschigen Einschüben. Sie kulminieren schließlich nach einer knappen Stunde in der hörsturznahen Beschwörung des nicht existierenden Gottes. Die Sonne fällt vom Himmel. Alles dunkel. Alles tot. (Christian Schachinger, 1.8.2017)