Lange waren die Generäle im Pentagon und die Mannschaften in den Basen der US-Streitkräfte voll des Lobes für Donald Trump. Im Gegensatz zu den amerikanischen Nachrichtendiensten hatte der republikanische Kandidat und spätere Präsident der Vereinigten Staaten den Militärs doch bei jeder sich bietenden Gelegenheit seine Reverenz erwiesen. Sie konnten sich sicher sein, dass sie von ihm Wertschätzung und vor allem Finanzmittel im Übermaß bekommen würden. Etwas mehr als sechs Monate nach dem Amtsantritt Trumps allerdings hat sich die Stimmung auch bei Army, Navy, Air Force und den Marines gewandelt.

"Wo ist eigentlich Lee Harvey Oswald, wenn man ihn einmal braucht?" Das sei der halb scherzhaft, halb verzweifelt erzählte Running Gag auf den Gängen des Pentagons, sagte ein hoher Militär unlängst dem STANDARD. So wie früher sowjetische U-Boot-Kapitäne ihre "Irrer Iwan"-Manöver im Nordatlantik fuhren, lenkt heute ein Mann in "Irrer Ami"-Manier die Geschicke der Supermacht: im unberechenbaren Zickzackkurs und jedenfalls weit von einer strategisch orientierten und geopolitischen Linie entfernt, die für die führenden Köpfe der amerikanischen Streitkräfte nachvollziehbar wäre.

Machtzentrum militarisiert

Hatten die Generäle – neben der Familie Trumps – schon bisher überproportionalen Einfluss im amerikanischen Regierungsapparat, ist das Machtzentrum der Vereinigten Staaten nun de facto militarisiert worden. In Arlington führt der frühere Marine-Vier-Sterne-General James Mattis das Verteidigungsministerium, an dessen Kadergesinnung sich noch beinahe jeder zivile Ressortchef die Zähne ausgebissen hat. Das Außenministerium, ein paar Kilometer weiter östlich über dem Potomac, ist als ziviler Gegenpol zu den Blechträgern auf der anderen Seite des Flusses politisch kaltgestellt. Dort gibt es wegen Trumps Rachsucht, die sich in einer zeitlupenartigen Ernennungsgeschwindigkeit für vakante Posten niederschlägt, noch nicht einmal einen Stellvertreter für Außenminister Rex Tillerson. Und Sicherheitsberater des Präsidenten ist der noch im Dienst befindliche Generalleutnant H. R. McMaster, das intellektuell "schärfste Messer", das die US-Militärs derzeit zu bieten haben.

Zuletzt eben das Weiße Haus: Dort übernimmt mit dem bisherigen Heimatschutzminister John Kelly wieder ein ehemaliger Marine eine zentrale Schaltstelle: das Executive Office of the President. Der neue Stabschef hat sich ausbedungen, zwielichtige Figuren wie Anthony Scaramucci umgehend zu entfernen und den Zugang zum Präsidenten – auch für Ivanka Trump und deren Ehemann Jared Kushner – exklusiv zu kontrollieren. Damit gibt es eine realistische Chance, den impulsiven Amtsträger einigermaßen zu bändigen und so zumindest nicht jede unbedachte Äußerung, jeden nocturnen Tweet zu einer veritablen Weltkrise auswachsen zu lassen.

Berechenbarkeit gefragt

Das Pentagon mag de facto schon bisher ein auch vom Kongress schwer bis nicht zu kontrollierender Staat im Staat gewesen sein. Nun allerdings kontrollieren die Militärs ihrerseits auch einen wesentlichen Teil der zivilen Seite der US-Regierung. Der Witz daran ist: In anderen Staaten müsste man sich unter solchen Umständen Sorgen um die Demokratie machen. In den USA dieser Tage dagegen muss man beinahe froh sein, wenn Generäle im Weißen Haus für etwas Berechenbarkeit sorgen. (Christoph Prantner, 1.8.2017)