Dieter Zetsche, Chef von Daimler, Matthias Mueller, Volkswagen-CEO, Matthias Wissmann, Präsident des Automobilverbands, und Harald Krueger, BMW-Chef nach dem Diesel-Gipfel in Berlin.

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Berlin – Es begann nicht wie geplant. Eigentlich hätten sich die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Mittwoch mit den Chefs der deutschen Autobauer im Verkehrsministerium treffen sollen. Dann dann musste der "Dieselgipfel" aus Sicherheitsgründen kurzfristig ins Innenministerium verlegt werden. Aktivisten von Greenpeace vom Dach ein großes Transparent mit der Aufschrift "Willkommen in Fort NOx" gerollt – in Anspielung an einen zu hohen Ausstoß von Stickoxiden (NOx) aus Dieselfahrzeugen.

Es war nicht nur ein inhaltlicher Protest, sondern auch einer gegen die Einladungspolitik. Umwelt- und Verbraucherschützer waren nämlich nicht zum Dieseltreffen geladen worden. Regierung, Autobosse und der Verband der Automobilindustrie (VDA) blieben unter sich.

Der VDA war es dann auch, der am späten Nachmittag, während der Dieselgipfel noch andauerte, die erste Mitteilung herausgab. Er erklärte, dass 5,3 Millionen Autos mit einer neuen Software nachgerüstet werden sollen. Darin sind jene 2,5 Millionen Fahrzeuge von Volkswagen enthalten, für die im Zuge der Aufarbeitung von "Dieselgate" schon Nachbesserungen angeordnet wurden.

Es handelt sich um Fahrzeuge der Emissionsklasse Euro 5 und teilweise Euro 6. Derzeit sind in Deutschland rund 8,6 Millionen Fahrzeuge dieser Klassen zugelassen. Die Kosten übernehmen die Hersteller. Ziel ist eine durchschnittliche Stickoxidreduzierung von 25 bis 30 Prozent. Der VDA geht davon aus, dass es dadurch zu keinen Fahrverboten in deutschen Städten mehr kommt.

Nachrüsten wollen BMW, Daimler, Opel und Volkswagen. Die Aktion soll keinen Einfluss auf Motorleistung, Verbrauch oder Lebensdauer haben. Aktien der Autohersteller legten am Nachmittag zu. Die Anleger begrüßen offenbar, dass es zu keinen teuren Hardwareumrüstungen kommt.

"Uns ist klar, welcher Vertrauensschaden da ist", räumte Matthias Wissmann, Chef des Automobilverbandes, nach dem Gipfel ein. Daher beteiligen sich die Autobauer auch an einem Fonds, mit dem die Regierung emissionsärmere, öffentliche Verkehrsmittel finanzieren will. Und sie bieten Prämien für Kunden, die auf modernere Autos umsteigen. Neuzulassungen für Diesel sind in Deutschland im Juli um 12,7 Prozent gesunken, die von Benzinern legten um 11,2 Prozent zu.

"Fahrverbot wäre Eigentor"

Mit Nachbesserungen bei rund einer Million Dieselautos von Mercedes-Benz in Deutschland will Daimler den Stickoxidausstoß der Fahrzeuge im Schnitt um 25 bis 30 Prozent senken. "Wir setzen darauf, den Diesel zu verbessern, anstatt ihn zu verbieten", erklärte Vorstandschef Dieter Zetsche am Mittwoch nach dem Dieselgipfel in Berlin.

Ein Fahrverbot wäre aus seiner Sicht ein "klimapolitisches Eigentor. Denn solange E-Autos noch einen geringen Marktanteil haben, ist die Optimierung des Dieselantriebs einer der wirksamsten Hebel zur Erreichung der Klimaziele durch weniger CO2 im Straßenverkehr." Europaweit ruft Daimler rund drei Millionen Fahrzeuge für ein Software-Update in die Werkstätten.

Dobrindt kündigt mehr Mittel für Öffis an

Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat eine Erhöhung der staatlichen Mittel zur Förderung des öffentlichen Nahverkehrs in Deutschlands Städten angekündigt. Es sei von 250 Millionen Euro zusätzlich die Rede, sagte der Minister am Mittwoch zum Abschluss des Dieselgipfel.

Mit dem Geld sollen zum Beispiel Busse, Taxis und kommunale Fahrzeuge wie Müllautos auf umweltfreundlichere Antriebe umgestellt werden.

ADAC sieht Lücken

Der ADAC hat die Ergebnisse des Dieselgipfels als "ersten Schritt in die richtige Richtung" bewertet, sieht aber noch erhebliche Lücken. Gut sei die klare Vereinbarung, "dass Verfehlungen der Hersteller nicht auf Kosten von Millionen Dieselbesitzern in Deutschland gehen sollen".

Mit der Beschränkung auf Software-Updates für Dieselautos sei die Politik jedoch vor der Industrie eingeknickt, kritisierte der Autofahrerverein am Mittwoch in München.

Mit Hardwarenachrüstungen ließe sich der Stickoxidausstoß nicht nur um 25 Prozent, sondern um bis zu 90 Prozent senken, hieß es beim ADAC. Solche Umbauten an der Motor- oder Abgasanlage gelten aber als deutlich teurere Maßnahme – und sie passen womöglich nicht für einige alte Modelle.

Die Absichtserklärungen zur Förderung von Elektroantrieben in Bus- und Taxiflotten und zum Ausbau der Ladeinfrastruktur seien positiv – "allerdings fehlt aus Sicht des ADAC ein klarer Zeitplan". Daneben könnten auch grüne Wellen und intelligente Verkehrssteuerung die Stickoxidbelastung erheblich reduzieren. "Das Potenzial, das die Verflüssigung des Verkehrs bietet, wird immer noch verkannt", kritisierte ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker. "Neben den technischen Optimierungen an den Autos lässt sich damit am meisten erreichen." (bau, APA, 2.8.2017)