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Heinz Erhardt spielte in vielen Filmen, die das deutsche Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg thematisierten. Auch privat fuhr er einen Mercedes 250 SE.

Foto: dpa/Lothar Heidtmann

Es war eine der größten Fehleinschätzungen der Geschichte. "Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung", sagte einst der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm II. Der Satz steht auch an der Wand im Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart – ohne weiteren Kommentar. Die Entwicklung Daimlers, wie überhaupt der gesamten deutschen Automobilindustrie, spricht ohnehin für sich.

Deutschland hängt am Auto, wirtschaftlich und emotional. Nirgendwo in der Welt hat die jeweils heimische Autowirtschaft einen so großen Anteil an der Wertschöpfung. 2016 erwirtschaftete sie einen Umsatz von rund 400 Milliarden Euro. Direkt in der Automobilindustrie sind 800.000 Menschen beschäftigt. Und daran reihen sich noch viel mehr Jobs. Rechnet man all die Zulieferer dazu, dann gehen Experten von 1,5 bis 1,8 Millionen Beschäftigten aus.

Doch auch die Gefühlsebene ist nicht zu unterschätzen. "Bis in die Siebzigerjahre wurde das Auto in Deutschland völlig unkritisch gesehen", sagt Ulrich Op de Hipt, Kurator jener Ausstellung, die gerade im Bonner Haus der Geschichte gezeigt wird und die – wie Op de Hipt sich freut – aufgrund der aktuellen Krise auf "enormes Interesse" stößt. Geliebt. Gebraucht. Gehasst. Die Deutschen und ihre Autos heißt die Schau.

Prestige, Freiheit, Geschwindigkeitsrausch

Das Auto war das Symbol für das deutsche Wirtschaftswunder. Wer es sich leisten konnte, fuhr im Benz, Audi oder BMW vor. Doch auch im Opel oder VW brauchte sich niemand zu schämen. "Prestige, Freiheit, Geschwindigkeitsrausch, die Macht des Menschen über die Maschine, all dies machte das Auto aus", sagt Op de Hipt. Und in Deutschland konnte man diese Genüsse mit einem deutschen Produkt erreichen.

Doch die einst unerschütterliche Lovestory ist nicht mehr so selbstverständlich. Natürlich wuchs in den vergangenen Jahrzehnten auch im Autoland Deutschland die Zahl derer, die das Auto und die Belastungen für die Umwelt kritisch sehen. Vor allem für junge Menschen ist der fahrbare Untersatz immer weniger Statussymbol.

Auto weniger wichtig

37 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 34 Jahren gaben in einer Studie der Markenberatung Prophet an, Computer, Laptops oder Smartphones seien wichtiger als ein eigenes Auto. Ebenfalls 37 Prozent sehen Carsharing als "gute Alternative zum eigenen Auto".

Eine Untersuchung des CAR-Forschungszentrums der Universität Duisburg-Essen zeigt, dass in den vergangenen zehn Jahren immer weniger Neuwagen auf Privatkunden zugelassen werden. Lieber greift man zu "jungen" gebrauchten Autos. So werden die Autos auf den deutschen Straßen immer älter. Im Schnitt haben sie derzeit 9,3 Jahre auf dem Blechbuckel. Im Jahr 2000 waren es 6,9 Jahre.

Freie Fahrt für freie Bürger

Insgesamt fahren auf Deutschlands Straßen 45 Millionen Autos, 42 Millionen sind auf Privatpersonen zugelassen, die vielfach eine sehr persönliche Beziehung zu ihrem Fahrzeug haben. 69 Prozent der Befragten einer Yougov-Studie können folgender Aussage zustimmen: "Ich liebe mein Auto." 14 Prozent haben sogar einen Kosenamen dafür.

Diese Zuneigung zum Auto und all seinen Möglichkeiten wird allerdings sehr gefördert. "Die Politik ermöglicht den deutschen Autofahrern, potent aufzutreten", sagt Kurator Op de Hipt. Deutschland ist das einzige Land in Europa, in dem es kein generelles Tempolimit auf Autobahnen gibt. "Freie Fahrt für freie Bürger", dieser Slogan des ADAC aus den Siebzigerjahren ist immer noch fest in den Köpfen verankert.

Im Wahljahr 2013 machte sich der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel einmal für ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen stark – allerdings nicht lange. Und die leidige Pickerlgeschichte ist den Österreichern ja bestens bekannt. Es soll ja 2018 auch in Deutschland kommen, was es anderswo längst gibt: eine Vignette. Jedoch: Zahlen werden nur die Ausländer, die deutschen Autofahrer verschont die Politik. (Birgit Baumann aus Berlin, 3.8.2017)