Foto: Netflix

Die Geschichte könnte dem Drehbuch eines HBO-Autors entstammen: Eine Hackergruppe namens Mr. Smith stiehlt geheimes Datenmaterial von einem TV-Kanal und droht dem Senderchef in einer Videobotschaft mit der Veröffentlichung. "Ein Gehalt" von sechs Monaten in der Digitalwährung Bitcoin wird verlangt, was ungefähr sechs Millionen US-Dollar entspricht. Um den Ernst der Lage zu betonen, stellt man unveröffentlichte Folgen ins Netz und private E-Mail-Adressen von Schauspielern.

Laut Drehbuch müsste jetzt der dynamische Officer der Cybercrime-Einheit aktiv werden, sich den nerdigen Computerfreak holen. Gemeinsam kämen sie den Missetätern auf die Schliche und würden ihnen das Handwerk legen, Verfolgungsjagd inklusive, ruck, zuck.

Aber die Wirklichkeit hat selten ein derart schlechtes Drehbuch. Die Frage, was HBO tun wird, steht im Raum. Der Abosender sieht sich mit Hackerattacke und Lösegeldforderung konfrontiert und hat jetzt eine Grundsatzentscheidung zu treffen, nämlich zu zahlen oder weitere Leaks hinzunehmen. Angesichts dessen, dass eine einzelne Folge von "Game of Thrones" rund zehn Millionen Dollar kosten soll, wirkt die Lösegeldforderung fast läppisch. Was auch immer geschehen wird: Gut beraten wären Sender jedenfalls, generell ihre Budgets für IT-Security kräftig aufzustocken, wenn sie keinen Wert auf solche Art von PR legen.

Doch jetzt zum Kernauftrag, Futter für die nächsten Tage. Aber vorweg die:
Spoilerwarnung!!! Wenn Sie nichts, aber auch gar nichts über Inhalte vertragen, lesen Sie in den nächsten Absätzen nur das Fettgedruckte.

Freitag, 11.8.: Atypical, Netflix
Atypisch ist der jugendliche Sam (Keir Gilchrist), er ist 18, zieht nur eine Sorte von Baumwoll-T-Shirts an, vermeidet es, sich im Bus oder sonst wo anzulehnen, schwärmt für die Antarktis, ohne jemals dort gewesen zu sein. Sam ist Autist und wirkt auf seine Umgebung sonderbar, aber er hat einen Plan oder, besser, zwei Pläne: Er will sein Gehirn für Forschungszwecke freigeben – nach seinem Tod natürlich –, und er sucht eine Freundin, mit der er Sex haben kann. Stoff genug für die neue tragikomische, rührende, in der Kombi bisweilen schrecklich sentimentale Coming-of-Age-Story von Netflix. Entwickelt hat Robia Rashid, Produzentin von "How I Met Your Mother" und "Bad Teacher". Jennifer Jason Leigh spielt Sams Mum, das Wiedersehen mit der Schreckschraube aus "Single, White, Female" hat mich gefreut und mich schmerzlich an meinen Rückstand bei den neuen Folgen von "Twin Peaks" erinnert.

Jennifer ist übrigens in die Miniserie "Melrose" involviert. Die hat definitiv nichts mit der 1990er-Serie "Melrose Place" um verhaltensauffällige jugendliche Bewohner eines Wohnbaus in Los Angeles zu tun, sondern mit Patrick Melrose, Playboy, nach den semiautobiografischen Romanen von Edward St. Aubyn. Die Hauptrolle spielt Benedict Cumberbutch, und das sind doch gute Nachrichten.

Trailer zur Netflix-Serie "Atypical".
Netflix

Samstag, 12.8.: Charles Manson, 22.30 Uhr, ZDF Info
In der Geschichte von Charles Manson fließen einige historisch wichtige Ereignisse zusammen. Wir sprechen von den Sixties und der Revolte gegen das Establishment, Vietnamkrieg, Diskriminierung und so Dingens. Dass sich darunter auch so manche irre Subjekte befanden, belegt die Geschichte des Sektengurus und Mörders Charles Manson. Als Anführer der Manson Family, einer drogenverrauchten Hippie-Kommune in Südkalifornien, ist er für den Tod von sieben Menschen verantwortlich, darunter auch jenen der Schauspielerin Sharon Tate. Manson ist ein Mythos, nicht wenige hegen eine irgendwie seltsame Faszination für ihn, die Dokumentation versucht dieser auf den Grund zu gehen. Wenn man Manson, der mittlerweile 83-jährig noch immer in einem kalifornischen Gefängnis sitzt, heute ansieht, sieht man einen verbitterten alten Mann. Jack Nicholson hatte unrecht, als er sagte: "Älter werden heißt auch besser werden."

Bild nicht mehr verfügbar.

Charles Manson in einer Aufnahme aus dem Jahr 2017.
Foto: AP / California Department of Corrections and Rehabilitation

Sonntag, 13.8.: New Blood, 22.00, ZDF
Krimi der Woche ist die erste von drei Folgen der BBC-Serie, die sich am sehr brauchbaren Rat Alfred Hitchcocks orientiert, nämlich eine klischeehafte Situation an den Anfang einer Erzählung zu stellen und sich im Verlauf der Geschichte von dort wegzubewegen. Die Routinesituation zu Beginn: London, Nacht, strömender Regen, Einsatzfahrzeuge blinken, Folgetonhörner heulen, ein Mann liegt tot auf dem Asphalt, aus dem 18. Stockwerk gestürzt. Die Beamten sind am Ort – Selbstmord wahrscheinlich, Daten aufnehmen, Angehörige verständigen, abhaken. "Ich glaub' nicht, dass er gesprungen ist", sagt der junge Uniformierte und setzt damit den ersten Schritt weg vom Klischee: Arash Sayyad (Ben Tavassoli), genannt Rash, bringt frisches Blut ins Polizeirevier.

Ebenso wie der junge Stefan Kowolski (Mark Strepan), der undercover in einem Pharmakonzern ermittelt, dort für einen fiesen Manager arbeitet, der wild entschlossen ist, sich zu holen, was ihm zusteht: erstens ziemliche Mengen an Schmiergeld und zweitens einen Lustknaben, den er in Stefan sieht. Und dann ist da noch Henry, der bei seiner seltsam verängstigt wirkenden Mutter wohnt, unter Verfolgungswahn leidet und irgendwelche Drogen oder Medikamente oder beides genommen hat. Das sind am Ende aber doch ein wenig viele Klischees, es gelingt in den 120 Minuten des ersten Films, den ich gesehen habe, nicht ganz, sich davon zu lösen. Einige Drehungen und Wendungen hielten mich wach, zudem ist Ben Tavassoli ein wirklich zündender Azubi, und die schlechte Chemie mit seinem tranigen Kollegen Derek Sands (Mark Addy) sorgt für ein paar nette Pointen. Anthony Horowitz entwickelte und schrieb die Serie, Anthony Philipson führte Regie.

Trailer zur BBC-Miniserie "New Blood".
BBC

Dienstag, 15.8.: My India – ein Trip mit Joanna Lumley, 20.15 Uhr, Arte
Sie war die blasseste aller Partnerinnen von John Steed in "Mit Schirm, Charme und Melone" und die schrillste Schnapsdrossel der britischen Seriengeschichte: Joanna Lumley, von 1976 bis 1977 als Agentin Purdey und – viel bedeutender – ab 1982 in "Absolutely Fabulous" an der Seite von Jennifer Saunders als anbetungswürdige Modelmumie im Einsatz, kehrt anlässlich des 70. Jahrestags der indischen Unabhängigkeit zurück zu ihren Wurzeln. Lumley wurde 1946 in Indien geboren, ein Jahr später zogen die Briten als Kolonialmacht ab, mit dabei Little Joanna. Ihre touristische Fahrt beginnt in Madurai, einer der ältesten Städte Südindiens, Lumley lässt sich Hemden nähen, besucht eine hinduistische Zeremonie, staunt über Elefantenfamilien und Juwelen in Hyderabad ("absolutely stunning"), spricht mit transgender people in Kalkutta über Diskriminierung, gleitet mit der Seilbahn über Gangtok, betreibt Ahnenforschung, und zwischendurch kommt sogar ein wenig Patsy zum Vorschein, zum Beispiel wenn sie eine Passantin mit "Sweetheart" anspricht. Ja, und bitte unbedingt in Originalfassung schauen. Arte zeigt alle drei Folgen, so richtig schön zum Eintauchen.

Die Trailer von ARTE

Mittwoch, 16.8.: Aidas Geheimnisse, 22.45 Uhr, ARD
Izak Szewelewicz lebt in Kfar Yedidya in Zentralisrael zwischen Tel Aviv und Haifa, er ist verheiratet, drei Kinder, acht Enkelkinder. Mit sieben Jahren erfährt er, dass seine Eltern nicht seine leiblichen Eltern sind, und später, dass seine Mutter in Kanada lebt. Wie in vielen israelischen Familien sprechen auch Izaks Eltern nur ungern über das, was sie im Zweiten Weltkrieg erlebt haben. Izaks Neffen, die Filmemacher Shaul und Alon Schwarz, fragen nach und öffnen, wie es am Beginn der Doku heißt, "die Büchse der Pandora". Izak fährt nach Kanada, trifft dort seine leibliche Großmutter und erfährt die ganze Wahrheit über seine Herkunft, und das ist erschütternd und berührend gleichzeitig.

Wiedervereinigung der Familie – Aida mit ihren Söhnen Shep (re.) und Izak.
Foto: SWR/Alon Schwarz

Mittwoch: 16.8.: Wien – Zeitreise, 20.15 Uhr, Spiegel Geschichte
Als "Geschichte der Giganten" bezeichnet der Historiker Simon Sebag Montefiore die Geschichte der Bundeshauptstadt. In drei Folgen unternimmt der Brite eine Zeitreise von der Geburt der Donaumonarchie bis zum Ende der Habsburger-Monarchie. Ein Blick von außen, Sachkundeunterricht freilich, musikalisch symphonisch unterlegt, zum Teil etwas sehr frontal von Oberlehrer Montefiore vorgebracht, aber es gibt in dieser BBC-Serie tolle Aufnahmen und hübsche grafische Montagen, sodass diese drei Stunden auf der Schulbank recht kurzweilig daherkommen.

Der Historiker Simon Sebag Montefiore führt durch die Geschichte Wiens.
Foto: BBC 2016

Donnerstag, 17.8.: Borgman, 22.25 Uhr, 3sat
Hund, Axt und Schlagstock haben die Männer dabei, die hinter ihm her sind. Borgman (Jan Bijvoet) ist ein Habenichts, einer, der von der Hand in den Mund lebt und deshalb bei den Maulhelden unter den Ordnungshütern nicht gut angeschrieben ist. Wie er leben zwei seiner Freunde im Wald unter der Erde, aus ihrem unterirdischen Reich werden sie mit Gewalt vertrieben. Unterschlupf gewährt ihm Marina, die mit Mann und Kindern das schicke Familienidyll lebt. Borgman dringt in die Blase ein und bringt sie nach und nach zum Platzen, aber so richtig. Furchterregend statisch inszeniert von Alex van Warmerdam, grandiose Kameraarbeit von Tom Erisman. Der niederländische Film war 2013 in Cannes im Wettbewerb um die Goldene Palme.

Moviepilot Trailer

Trailer der Woche:
In den USA startet am Sonntag die Serienausgabe von "Get Shorty" mit Chris O'Dowd, Ray Romano – der Trailer verrät: Es wird ein Fest! Und überhaupt wird nichts, gar nichts jemals so schlimm wie das avisierte "Knight Rider"-Comeback von David Hasselhoff. Der Horror hat Methode, wir müssen jetzt ganz stark sein.

JoBlo TV Show Trailers

In diesem Sinne: frohe Woche, schönes Schauen! (Doris Priesching, 10.8.2017)