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Umweltschutzorganisationen beschwerten sich bereits am Mittwoch, dass sie nicht zum Gipfel eingeladen waren.

Foto: Reuters/HANNIBAL HANSCHKE

Berlin – Eine neue Abgassoftware in 5,3 Millionen deutschen Dieselautos soll den Ausstoß des Atemgifts Stickoxid zurückdrängen und Fahrverbote in Städten verhindern. Das ist das Kernergebnis des deutschen Dieselgipfels von Politik und Autobranche am Mittwoch in Berlin.

Harsche Kritik an dem Ergebnis übt die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Die deutsche Regierung und die Autobranche hätten das Treffen "vor die Wand gefahren", erklärte VZBV-Chef Klaus Müller. Konsumenteninteressen seien "einmal mehr ausgebremst" worden.

Selbstverständlichkeit als Ergebnis verkauft

Es sei eine Selbstverständlichkeit, dass die Hersteller für die Kosten der Software-Updates bei Dieselautos aufkommen. "Dafür hätte es den Gipfel nicht gebraucht." Zudem sei zweifelhaft, ob die Updates reichen, um vor Fahrverboten zu schützen. Dieselfahrer fragten sich nach wie vor, ob ihnen eine Stilllegung drohe.

Auch Entschädigungen für manipulierte Diesel seien bisher nicht in Aussicht gestellt worden. Das sei aber das große Thema betroffener Kunden. "Sie haben nicht nur den Schaden, sondern auch Ärger – darum sollten sich die Autohersteller endlich kümmern", forderte Müller.

Erneut verlangte der VZBV "ein Signal, dass sich Bundesregierung und Wirtschaft für eine Musterfeststellungsklage starkmachen". Damit könnten Konsumenten sich zusammenschließen und einfacher gegen Unternehmen klagen.

Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stefan nannte die Ergebnisse eine "Farce". Der grüne Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann, hingegen warf sich erneut für die Autoindustrie in die Bresche: "Man kann die Welt nur schrittweise verbessern. Und dafür haben wir heute einen Schritt getan."

Fahrverbote drohen weiterhin

Enttäuscht zeigten sich hingegen seine Parteikollegen. "Mit ihrer Weigerung, wirksame Nachrüstungen bei den Hersteller durchsetzen, sind Union und SPD verantwortlich für Fahrverbote, die Gerichte vermutlich jetzt durchsetzen werden", sagte Fraktionsvize und Verkehrsexperte Oliver Krischer der Deutschen Presse-Agentur. Die Regierung sei nicht bereit, "endlich durchzugreifen und durch verpflichtende Maßnahmen die Gesundheit der Menschen zu schützen".

Dass er damit nicht ganz falsch liegt, deutet auch Justizminister Heiko Maas (SPD) an. "Die gesetzlichen Vorgaben zur Luftreinhaltung gelten", sagte Maas der "Bild"-Zeitung vom Donnerstag. Für die Automobilindustrie bedeute das, dass sie mehr denn je in der Pflicht sei, Schadstoffe zu reduzieren und die Umwelt zu entlasten. Das müsse schnell, gesetzeskonform, technisch sauber und transparent erfolgen. Der Dieselgipfel sei "ein erster Schritt in die richtige Richtung" gewesen, sagte Maas. Jetzt beginne für die Automobilindustrie die "Bewährungszeit". Weitere Maßnahmen müssten folgen.

Rüge aus Österreich

"Das Ergebnis ist mager, es wäre für Umwelt und Konsumenten mehr drinnen gewesen", heißt es auch in Österreich. Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) monierte, dass technische Nachrüstungen, die maßgebliche Abgaseinsparungen bringen würden, zur Gänze fehlten.

"Die Ankündigung, den Stickoxid-Ausstoß durch diese Maßnahme um 25 bis 30 Prozent zu reduzieren, ist wenig ambitioniert", lautet das Resümee des Ministers. Offen sei nach wie vor, was die deutschen Autobauer tun wollen, um den Schaden in anderen Ländern wie Österreich zu beheben. Leichtfried will daher noch im August die deutschen Konzerne dazu einladen, ihre Lösungsvorschläge für Österreich zu präsentieren.

Noch weiter geht der grüne Verkehrssprecher Georg Willi: Er fordert einen heimischen Dieselgipfel, der strenger aufgesetzt werden müsse als in Deutschland.

Grenzwerte werden weiter überschritten

Der deutsche Verkehrsexperte Peter Mock fasste nach dem Gipfel noch einmal zusammen, worüber seit Tagen debattiert wird: Die Software-Updates würden in den Praxis wenig bringen, neue Diesel würden auf der Straße auch mit Software-Updates die Stickoxid-Grenzwerte um ein Vielfaches überschreiten, sagte Mock der Deutschen Presse-Agentur.

Laut dem deutschen Umweltbundesamt stoßen Euro-6-Diesel mit 507 Milligramm auf der Straße mehr als sechsmal so viel NOx pro Kilometer aus, wie auf dem Prüfstand im Labor erlaubt ist – nämlich 80 Milligramm. "Wenn man nun annimmt, dass das Software-Update tatsächlich bei allen Fahrzeugen 30 Prozent bringen würde, dann wären wir bei 355 Milligramm pro Kilometer", so Mock. "Das ist immer noch mehr als viermal so hoch wie das gesetzliche Euro-6-Limit."

Der Experte vom Forscherverbund ICCT, der die Dieselaffäre bei VW mit ins Rollen brachte, bezweifelt, dass sich alleine mit den Updates Fahrverbote wegen zu hoher Stickoxid-Werte in der Luft vermeiden lassen. Die Bauteile älterer Autos zu ersetzen, wie viele Umwelt- und Konsumentenschützer fordern, sei "auf jeden Fall sehr aufwendig und deutlich teurer" – und bei einigen Modellen "schlicht nicht möglich". Wo sie gelinge, sei diese Nachrüstung aber recht effektiv, so Mock. "Diese Fahrzeuge sind dann nahezu so sauber wie die neueste Generation an Dieselmotoren." (APA, Reuters, red, 3.8.2017)