Selbst der massige Panzersaurier Borealopelta musste sich vor den riesigen theropoden Fleischfressern seiner Zeit hüten.
Illustration: Royal Tyrrell Museum of Palaeontology

Edmonton – Kanadische Forscher beschreiben im Fachjournal "Current Biology" eine bislang unbekannte Dinosaurierart, deren massiger Körper zwar so gut geschützt war, dass das Tier einem wandelnden Panzer gleichkam. Und doch musste es sich offenbar so sehr vor noch gewaltigeren Jägern in Acht nehmen, dass es auf eine Form der Tarnung setzte, wie man sie heute von Hirschen und anderen Paarhufern kennt.

Entdeckt wurde das Fossil im Jahr 2011 in einer Mine in der kanadischen Provinz Alberta. Fünfeinhalb Jahre lang war daraufhin Mark Mitchell vom Royal-Tyrrell-Museum für Paläontologie damit beschäftigt, die Überreste des Tiers aus dem umgebenden Gestein herauszulösen. Zum Dank für die Mühe wurde die Spezies nach ihm Borealopelta markmitchelli benannt. Der erste Namensteil bedeutet soviel wie "nördlicher Schild".

Und diese Mühe – insgesamt 7.000 Arbeitsstunden – hat sich ausgezahlt: Laut den Wissenschaftern des Museums handelt es sich um eines der besterhaltenen Dinosaurier-Exemplare weltweit. Paläontologe Caleb Brown nennt Borealopelta gar die "Mona Lisa der Dinosaurier".

Nur selten bleibt die Körperform eines Tiers in fossiliertem Zustand so gut erhalten wie hier.
Foto: Royal Tyrrell Museum of Palaeontology

Das Tier lebte in der mittleren Kreidezeit vor 110 Millionen Jahren und gehörte zu den Nodosauridae, einer Untergruppe der Ankylosaurier. Alle Angehörigen dieser Gruppe waren Pflanzenfresser und trugen einen Panzer aus Knochenplatten. Den Nodosauridae fehlte zwar die bekannte Knochenkeule am Schwanzende, mit der der Ankylosaurus ausschlagen konnte, dafür war ihr Panzer um Stacheln ergänzt. Zusammen mit einer Länge von fünfeinhalb Metern und einem Gewicht von geschätzt 1,3 Tonnen machte dieser Panzer Borealopelta zu einem Tier, dem vermeintlich so schnell nichts gefährlich werden konnte.

Tatsächlich war dieser Schutz aber nicht ausreichend. Das Exemplar aus Alberta ist so hervorragend erhalten geblieben, dass die Forscher die Hautschuppen auf ihre ursprüngliche Pigmentation untersuchen konnten. Den Ergebnissen zufolge war das Tier rotbraun gefärbt, an der Körperunterseite jedoch heller: Beleg für eine sogenannte Konterschattierung, eine der einfachsten Formen von Tarnung.

Viele, viele Arbeitsstunden sind in die Präparation des Fossils eingeflossen.
Foto: Royal Tyrrell Museum of Palaeontology

Konterschattierung verwischt den Unterschied zwischen der sonnenbeschienenen Oberseite und der im Schatten liegenden Unterseite, die bei gleichmäßiger Färbung dunkler wäre. Diesen Effekt nutzen sowohl Räuber – etwa verschiedene Haiarten –, als auch potenzielle Beutetiere. In einem dreidimensionalen Lebensraum wie dem Meer hat der Kontrastverlust besondere Wirkung.

Auch an Land kann diese Tarnung aber noch dazu führen, dass Raubtiere mit guter räumlicher Wahrnehmung das fürs Überleben entscheidende kleine Bisschen ausgetrickst werden. Im vergangenen Jahr erst hatten britische Forscher festgestellt, dass ein Zeitgenosse von Borealopelta, der bedeutend schmächtiger gebaute Psittacosaurus, ebenfalls konterschattiert war.

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Andere Spezies, gleicher Effekt: Auch Psittacosaurus setzte auf Konterschattierung.
Foto: Reuters/Jakob Vinther/University of Bristol/Bob Nicholls

Als nächstes Forschungsziel haben sich die kanadischen Paläontologen eine Analyse des ebenfalls erhalten gebliebenen Magen- und Darminhalts des Dinosauriers vorgenommen. Nur der Hintergrund seines Todes dürfte nicht so leicht zu klären sein: Da hat Borealopelta nämlich weder Panzer noch Tarnung genützt. Das Fossil wurde in den Sedimenten eines kreidezeitlichen Binnenmeers entdeckt. Irgendeine Katastrophe hat offenbar genug Wucht entfaltet, um den tonnenschweren Koloss weit aufs Meer hinauszureißen – über die genauen Umstände kann nur spekuliert werden. (jdo, 3. 8. 2017)