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Am Brenner/Brennero versucht die Nationalität der Tiroler, das Europa der Nationen zu kitten. Mit wechselndem Erfolg.

Foto: REUTERS / Dominic Ebenbichler

Wien – "Die Minderheiten und Volksgruppen", sagt Gabriela Novak-Karall vom Wiener Hrvatski Centar, "sind gewissermaßen der Kitt zwischen den Staaten, der die EU zusammenhält." Sie weiß nicht mehr genau, wem sie dieses schöne Sprachbild verdankt. Der Satz fiel jedenfalls auf einer Tagung der Fuen, der Föderalistischen Union der europäischen Nationalitäten. Und er beschreibt ganz gut die Motivation und das Ziel der Mitte Juli auf den Weg gebrachten Europäischen Bürgerinitiative zum Schutz und zur Förderung der europäischen Volksgruppen.

In der EU gibt es neben den 23 Amtssprachen rund 60 Regional- oder Minderheitensprachen, die von rund 40 Millionen Menschen gesprochen werden. Nicht selten leben diese in den Grenzregionen, die solcherart den Nationalstaat zum Nachbarn hin quasi verlängern, wie das in Österreich etwa bei den Slowenen in Kärnten, den Ungarn im Burgenland oder in Italien etwa durch die Südtiroler geschieht.

Bündel von Maßnahmen

Man solle aber, so Novak-Karall, auch nicht die mutterlandlosen Volksgruppen vergessen. Etwa die Sorben in Südostdeutschland. Oder, als größte, die Roma und Sinti, die einer zunehmenden Drangsalierung ausgesetzt seien. Und zeigten, dass Minderheitenschutz nicht nur eine kulturelle oder sprachliche Dimension hat.

Die Fuen verlangt in der Bürgerinitiative – vergleichbar einem nationalen Volksbegehren – darum die Umsetzung eines ganzen Bündels von Maßnahmen, die von der Gründung eines eigenen europäischen Minderheitensprachenzentrums über die Verstärkung der Anstrengungen gegen Diskriminierung bis hin zur ausdrücklichen Berücksichtigung bei allgemeinen Regional- und speziellen Medienförderungen reichen.

Die Zügel schleifen

Novak-Karall glaubt aber, dass allein die öffentlichkeitswirksame Beschäftigung mit diesem Thema schon gewinnbringend genug wäre. Die burgenländische Kroatin hat den Eindruck, dass die Lippenbekenntnisse der Europäer zum Minderheitenschutz zunehmend papierener geworden sind. "Als Beitrittskandidaten haben sie viele große Anstrengungen unternommen." Jetzt, als Mitglieder, lasse das spürbar nach.

Nach juristischen Querelen mit der Kommission hat der Europäische Gerichtshof im April grünes Licht für die Unterschriftensammlung gegeben. Seit Mitte Juli kann man unterschreiben. Gebraucht werden mindestens eine Million Unterschriften in mindestens sieben EU-Ländern.

Österreichs Untergrenze läge bei 13.500. Novak-Karall hofft aber auf mehr. Jeder Österreicher kann für das Minority Safepack unterschreiben, auch online. "Um die Bedeutung dieser Initiative auch für die Mehrheitsbevölkerung zu unterstreichen, reden wir gerne von Südtirol. Das versteht jeder."

Ivancsics im Wiglwogl

Die burgenländische Kroatin ruft damit nicht nur die Nordtiroler auf. Vielleicht unterschreiben (online, Passnummer als Identifikation, Deadline April 2018) sogar die roten Burgenlandkroaten. Deren Chef, Martin Ivancsics, ist aber noch im Wiglwogl, ob er sich mit seinem Kultur- und Dokumentationszentrum anschließen wird. "Wir schauen uns das einmal an." Ivancsics – einst Büroleiter von Hans Niessl, nun ORF-Siftungsrat – ist turnusmäßig Chef des Volksgruppenbeirats. Dort werde man sich natürlich schon damit beschäftigen. "Im Herbst, bei der nächsten Sitzung." (Wolfgang Weisgram, 4.8.2017)