Es ist erstaunlich, wie unverfroren die Autobosse nach dem Dieselgipfel in Berlin jubelten. Wer Volkswagen-Chef Matthias Müller reden hörte, wähnte sich im falschen Film. "Ausgeschlossen", tönte der frühere Porsche-Chef, dass die Autoindustrie ältere Selbstzünder mit moderner Abgasreinigung umrüste, schon allein wegen der Kosten. Und überhaupt wolle er seine Techniker mit Zukunftstechnologien beschäftigen statt mit Technik von gestern.

Kundschaft und Händler werden es Müller danken. Sie bekommen zum Schaden durch den Abgasbetrug, für den sie mit einem lausigen Software-Update entschädigt werden, noch einen Fußtritt vom Hersteller.

So ungeniert wie der frühere Porsche-Chef, der im Übrigen erst durch den großangelegten Abgasbetrug an die Spitze des Weltautokonzerns gespült wurde, zeigte der Öffentlichkeit noch niemand den Mittelfinger. Daimler-Chef Dieter Zetsche war etwas diplomatischer. Er parlierte über die Optimierung des Dieselantriebs als einen der wirksamsten Hebel zur Erreichung der Klimaziele durch weniger Kohlendioxid-Ausstoß im Straßenverkehr. Das stimmt wohl, ist aber eine Themenverfehlung. Denn nicht der CO2-Ausstoß ist das gravierende Problem (der ist beim Diesel niedriger als bei Ottomotoren), sondern hochgiftige Stickoxide und Feinstaub, die in Kombination mit Straßensplitt und Salz zur Gefahr für Leib und Leben werden.

Ein Hauch von Demut würde nicht schaden

Ein Fahrverbot angesichts dieser Problemlage als "klimapolitisches Eigentor" zu bezeichnen zeugt von Abgehobenheit und Arroganz. Die braucht man möglicherweise als Mercedes-Chef, als Repräsentant einer Schlüsselindustrie, die Verbraucher wie Politiker verschaukeln kann, weil sie "too big to fail" ist, und von der europäischen Politik nichts zu befürchten hat. Zetsche wie Müller stünde ein Hauch von Demut gut an.

Ja, Dankbarkeit ist keine politische Kategorie. Aber die zur Debatte stehende Umrüstung älterer Dieselfahrzeuge, bei denen eine Neukonfiguration der Abgasreinigung nicht reicht, sondern der Motor aufgerüstet werden müsste, würde für ganz Deutschland nicht ansatzweise so viel kosten wie die 20 Milliarden Euro Bußgeld, mit denen sich VW bei US-Umweltbehörden und -Konsumenten, denen schmutziger Clean-Diesel aufgeschwatzt worden war, freigekauft hat. Für Hochmut gibt es also keinen Grund.

Mia wern an Richter brauchen

Mit einem "Nicht genügend" darf sich nach bald zwei Jahren "Dieselgate" auch die deutsche Politik in die Ferien verabschieden. Sie hat weder im Interesse der Verbraucher agiert und Härte gegen Betrug an den Tag gelegt, noch im Interesse des Klimaschutzes gehandelt. Sie ließ sich in eine Ecke mit den Autobauern treiben, und dort steht sie hilflos und trotzig. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) versteigt sich gar zur Aussage, Fahrverbote seien vom Tisch – und gewährt damit tiefen Einblick in sein Verständnis unabhängiger Gerichtsbarkeit.

Fast herzig dagegen sein österreichischer Amtskollege Jörg Leichtfried (SPÖ). Er hat zwar bis heute keinen Finger für geschädigte VW-Halter gerührt, selbst Abgasmessungen unterlassen, beklagt nun aber das "magere Ergebnis" von Berlin, weil es für österreichische Autobesitzer keine Lösung enthält. Das gleicht einer Verhöhnung. Das Gipfelergebnis ist in der Tat mager, denn die Software-Updates für fünf Millionen deutsche Autos kosten die Industrie einen Spottpreis.

Mia wern an Richter brauchen. Denn die Politik hat sich lediglich eine Verschnaufpause erkauft. (Luise Ungerboeck, 3.8.2017)