Manfred Rebhandl hat Kitty Muhr abermals auf eine für sie typische Suche geschickt: nach einem Mörder und der großen Liebe.



Foto: Heribert Corn

Manfred Rebhandl, "Heiß ist die Liebe, kalt ist der Tod". € 12,95 / 256 Seiten. Haymon, Innsbruck 2016

cover: haymon

Den ganzen Frühling über ging das so: "... Oder Sizilien? Oder Korsika? Oder doch lieber die Malediven?"

Und ich: "Wieso die Malediven, was ist denn dort?"

Und Susi: "Ich habe da zwei Wochen im Internet gefunden, ein Superschnäppchen!"

Und dann: "Aber Kitty, hör zu, du musst dich auch ein bisschen darum kümmern!"

Und ich: "Bin für Ibiza oder Kreta!"

Und sie: "Aber das hast du doch vor drei Tagen auch schon gesagt. Ich höre immer nur Ibiza oder Kreta! Warum nicht eine Woche im Premium Spa an der Costa Smeralda?"

Und ich: "Wo ist denn diese Costa – wie heißt sie noch mal genau?"

Und sie: "In Sardinien! Ich bitte dich, Kitty, weißt du denn echt überhaupt nicht, wo was ist?"

Ich kannte die Alte Donau, und ich kannte ein paar Strände auf Malle. Und in Jesolo, Rimini und Bibione bin ich praktisch seit meiner Kindheit zu Hause. Da war ich nämlich öfter mit meinen Eltern, als sie noch zusammen waren, und mit meiner Schwester Bärbel, die sich bald Babsi nannte und irgendwann Barbie. Diese Göre war schon damals unerträglich und mied den Kontakt mit dem heißen Sand, weil er angeblich ihre Haut zerstörte.

Also wieder Susi: "Ich buche dann morgen Patmos verbindlich mit meiner Kreditkarte, okay?"

Und ich: "Tu das! Aber hör zu: Du darfst diesmal echt keine Fotos von mir auf diesem scheiß Facebook posten, ist das klar!"

"Das werde ich bestimmt nicht!"

"Hast du letztes Mal aber auch gesagt, als wir in der Bingobongobar deinen Geburtstag gefeiert haben!"

"Da war ich betrunken."

"Im Urlaub wirst du aber auch nicht nüchtern sein!"

Sie fragte erschöpft: "Willst du jetzt mit mir in den Urlaub fahren oder nicht?"

Und ich sagte: "Eigentlich nicht."

Susi und ich waren zwar beste Freundinnen, seit sie mir mit ihrem Pferdebiss mal über den Weg gelaufen war und dann nicht mehr von mir abließ. Aber irgendwie blieb man nur so lange beste Freundinnen, solange man nicht gemeinsam in den Urlaub fuhr. Ich hatte also eine gewisse Angst davor, jedenfalls eine gewisse Scheu, ihr in Flipflops zu irgendeinem Appartement hinterherzulaufen, von wo aus wir dann drei Kilometer zum Strand latschen mussten, der auf den Fotos im Internet irgendwie ganz anders rübergekommen war. Und was, wenn Susi im Bikini auf diesem Strand so peinlich aussah, dass ich nicht mit ihr gesehen werden wollte? Oder noch schlimmer: Was, wenn das umgekehrt der Fall wäre und ich die Peinliche sein würde? Man denkt ja immer, dass man in der Umkleide im Bikini am schrecklichsten aussieht, weil das Licht da drin so hell und unbarmherzig ist. Aber man schaut dann im Bad zu Hause natürlich noch schlimmer aus, weil die in der Umkleide ja immer so schlank machende Spiegel haben, die man zu Hause nicht hat. Man weiß also gar nicht so recht, wie man im Bikini eigentlich aussieht, bis die beste Freundin Urlaubsfotos von einem auf Facebook postet.

Außerdem war ich echt noch nicht in Bikini-Form, obwohl ich mir schon zwei neue gekauft hatte, einen in Gelb und einen in Pink. Gewagte Farben, ich weiß. Aber ein pinkfarbener muss immer mit, wenn ich in den Urlaub fahre, auch wenn ich ihn dann nie anziehe. Und ein gelber, na ja, ich weiß auch nicht ...

Zwei Tage später hatten wir dann noch immer keine Entscheidung getroffen, sondern waren erst beim "Ausschlussprinzip" angekommen. Immerhin hatte Susi die Auswahl nun auf zwei Destinationen reduziert: Mykonos (geil!) oder Ägypten (billig!). Nach Mallorca, das wir ausgeschlossen hatten, wollten wir wegen der vielen Betrunkenen dort nicht mehr, und nach Italien, das wir auch ausgeschlossen hatten, wegen der vielen Kleinwüchsigen dort nicht. Zwar hatten die Italiener alle sehr viele Haare auf der Brust, und sie trugen gerne enge Badehosen, was mir gefiel. Aber sie waren eben auch alle viel zu klein und hatten nichts von Tarzan, der mir noch viel besser gefiel als die Italiener.

Ich fragte also Johnny, ob er schon Urlaubspläne habe oder ob es auf sich zukommen lassen würde. Aber der Langeweiler sagte nur: "Och, im Sommer, da mache ich gar nichts."

"Nein?", fragte ich. "Und was ist mit Winter?"

"Och, im Winter einen Monat Südindien."

"Südindien also? Was gibt es denn dort, in Südindien?"

"Och, Strände", sagte er.

Und ich: "Geil, Johnny. Richtige Strände mit Sand und Wasser und so?"

Und er: "Ja, warum?"

Verdammt! Wie konnte man so gut aussehen und trotzdem so langweilig sein? Er machte mich so wahnsinnig, dass ich mir nur noch zwei Sachen von ihm wünschte: "Versprich mir bitte erstens, Johnny, dass du dort nicht zu viel rauchst, okay? Und jetzt schieb uns zweitens noch einen rüber!"

Nach dem dritten Drink fragte mich dann Susi: "Was hältst du von der Normandie? Dort ist es schön ruhig und auch sehr kultiviert."

Und ich: "Bloß nicht die Normandie! Du weißt doch, dass ich Stille nicht ertrage, und auch nicht kultiviert."

Und sie: "Dann vielleicht Zakynthos?"

Und ich: "Wo ist denn das?"

"Na hör mal, Kitty! Weißt du echt nicht, wo Zakynthos ist?"

"Zaküntos mit ü? Klingt türkisch für mich."

"Ist aber griechisch und kostet im Doppelzimmer nur zweihundertsechzig Euro für sieben Tage."

Ich fragte: "Im Doppelzimmer? Du und ich?"

Und sie: "Ja. Hast du etwa ein Problem mit Doppelzimmer?"

Und ich: "Nicht mit Doppelzimmer an sich, aber mit Doppelzimmer mit dir. Da musst du dann schon rausgehen, wenn ich einen mitnehme, okay?"

Und sie: "Aber du musst auch rausgehen, wenn ich einen mitnehme!"

"Das kommt dann darauf an, wie er aussieht."

"Bei dir aber auch!"

Die Stimmung war wirklich trübe, und sie war auch drei Tage später nicht besser, als wir wieder in der Bingobongobar saßen. Ich sagte: "Entscheide dich mal! Ibiza oder Kreta? Ich muss endlich wissen, wie viel ich abnehmen soll!"

Und Susi: "Was hat denn das damit zu tun, wo wir in den Urlaub fahren?"

Und ich: "Na ja, auf Kreta ist es egal, wie ich herumlaufe. Dort sind nur langhaarige Yoga-Freaks, die nichts essen und Joints rauchen und die nackt an felsigen Buchten zelten. Die haben vom vielen Kiffen ihre Ansprüche verloren, die legen nicht mal wert darauf, dass man sich rasiert! Außerdem brauche ich dort nicht einmal einen Bikini, weil die ja alle nackt herumlaufen! Daran hast du wohl noch gar nicht gedacht?"

Kreta mit seiner Töpfer- und Yogaszene war also das eine Extrem. Das andere wäre Ibiza: nur muskulöse, gestählte Partyfreaks auf LSD oder anderen Drogen, die achtundvierzig Stunden lang durchtanzen und dann nicht mehr wissen, wann der Billigflieger nach Hause geht. Alle mit nacktem Oberkörper, alle extrem gutaussehend, aber alle auch mit richtigen Problemen. Dazu tausende Casting-Agenten und zehntausende junge Models aus Osteuropa mit hohen Wangenknochen. Und dazwischen wir, Kitty und Susi: "Hallo, wir sind aus Österreich." Oder auf Englisch: "Hello, we are from Austria." Dort wäre dann nicht nur die richtige Bikinifarbe des Sommers wichtig, sondern noch wichtiger wäre die dazugehörige Bikinifigur.

All das gab ich Susi zu bedenken, als wir weiter hin und her überlegten, und obwohl sie bis dahin eher für Ibiza plädiert hatte, sagte sie nun kleinlaut: "Bin für Kreta."

"Aber Kreta ist scheiße!", sagte nun wieder ich, weil ich plötzlich für Ibiza war. "Ich will diese Yoga-Freaks dort nicht, und ich will sie erst recht nicht in einer Höhle! Also einigen wir uns auf einen Kompromiss: Was hältst du von Mombasa?"

Susi schrie: "In Kenia?"

"Ja, wo denn sonst!"

"Im Sommer?"

"Ja, wann denn sonst?"

"Aber ist dort nicht Winter, wenn wir Sommer haben?"

Und ich sagte: "Dann nimm doch die Skier mit!" (Manfred Rebhandl, Album, 7.8.2017)