Jane Austen, "Lady Susan". € 16,90 / 155 Min. Argon-Verlag, Berlin 2017

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Eigentlich könnte man anhand von weniger bekannten Romanen des 19. Jahrhunderts durchaus eine Psychopathologie des Bürgertums verfassen. Wie sich Familien zerfleischen. Wie sich bürgerliche Gefühle deformieren. Und wie durch Ehen die Seelen zuschanden gehen. Ein schlagendes Beispiel dafür ist einer der unbekannteren Romane der Engländerin Jane Austen (1775-1817), den sie im Alter von 18 (!) Jahren schrieb, der aber erst im Jahr 1871 erschien: Lady Susan.

Austens Verstand und Gefühl, Stolz und Vorurteil, auch Northanger Abbey kennt und liest man noch immer. Dieser zynisch subtile Briefroman aber ist ein ganz anderes Kaliber. Im Mittelpunkt: Susan Vernon, Witwe und unmoralische Verführerin. Sie spielt mit Männern. Ihre einzige Tochter Frederica, die das heiratsfähige Alter erreicht hat, ist für sie nur Hindernis und Figur in ihren Rankünen. Ein Übriges tragen ihre Verwandten, vor allem die weiblichen, dazu bei. Ein böses, elegantes Stück Prosa. Eva Mattes ist seit längerem die deutsche Jane-Austen-Stimme. Hier liefert sie eine solide Leistung ab. (Alexander Kluy, 30.8.2017)