"Sei vorsichtig mit deinen Wünschen, sie können in Erfüllung gehen", lautet ein altes Sprichwort. Am Abend des 8. November 2016 fand sich der Unternehmer Donald Trump unvermutet als Präsident der Vereinigten Staaten wieder. Seither geht es auch für ihn persönlich bergab.

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Wer die ersten sechs turbulenten Monate der Trump-Präsidentschaft verstehen will, muss zu zwei Tagen zurückkehren, die Donald Trump ins Weiße Haus geführt haben. Am 16. Juni 2015 stieg er die Treppe im Foyer seines New Yorker Trump Tower hinunter und erklärte sich zum Präsidentschaftskandidaten.

Der Immobilienunternehmer hatte schon mehrmals mit dem Gedanken gespielt und Vorbereitungen getroffen, aber diesmal ging er noch einen Schritt weiter. Was auch ihn selbst erstaunte: Seine Rede, in der Mexiko beschuldigte, Verbrecher und Vergewaltiger über die Grenze zu schicken, schlug in der Welt der elektronischen und sozialen Medien voll ein.

Die nächsten 18 Monate waren wohl die schönsten seines Lebens. Trump ließ sich bei Wahlkampfveranstaltungen feiern, trieb zuerst die republikanischen Konkurrenten und dann Hillary Clinton mit seinem bodenständigen Schmäh vor sich her und überlebte selbst Peinlichkeiten wie das obszöne "Pussygate"-Tonband.

Ständige Kritik

Und dann kam der Abend des 8. November 2016: Gegen alle Erwartungen der Meinungsforscher, Medien und Experten – wohl auch seiner eigenen Leute – stand der 70-Jährige als Sieger da. Dieses unglaubliche Gefühl, es allen gezeigt zu haben, die ihn immer als ungebildet und vulgär abgestempelt hatten, wollte er sich nie wieder nehmen lassen.

Zu seinem Leidwesen wird ein US-Präsident nicht an seinem Wahlsieg, sondern an seiner politischen Arbeit gemessen. Da ist man ständiger Kritik der Opposition, der Medien, ja auch der eigenen Parteifreunde ausgesetzt. Für Trump, den psychisch labilen, kindhaften Unternehmer aus einem New Yorker Außenbezirk, ist das eine tägliche Qual.

Und alles, was er seit seiner Angelobung am 20. Jänner 2017 im Weißen Haus sagt, twittert und entscheidet, dient nur einem Zweck: wieder als der strahlende Sieger der Wahlnacht dazustehen. "Erinnert ihr euch an die unglaubliche Nacht mit den Karten, und die Republikaner sind rot und die Demokraten blau, und die Karte war so rot, es war unglaublich", schwärmte er vor kurzem vor Pfadfindern. "Alle waren sprachlos."

Immer wieder kehrt er in seinen Tweets zur Erzrivalin Hillary Clinton zurück, die ihn wie ein böser Geist verfolgt. Und sein einziges erkennbares politisches Ziel ist es, das zunichtezumachen, was Vorgänger Barack Obama aufgebaut hat. Ihn muss er schlagen, selbst wenn es nur um die Zuschauerzahlen bei der Angelobung geht.

Kein ideologischer Kern

Trump hat keinen ideologischen Kern und daher auch keine Präferenzen für eine bestimmte Politik. Er kann mit einer universellen Krankenversicherung genauso gut leben wie mit einem Radikalabbau von Obamacare. Ihm ist es gleich, ob die Steuern gesenkt, Milliarden in die Infrastruktur investiert oder das Defizit abgebaut werden – am besten alles gleichzeitig, was ein illusorisch hohes Wirtschaftswachstum ermöglichen soll.

Partnerschaften mit Russland und China sind genauso gut wie offene Konfrontation, ein Rückzug aus Afghanistan ebenso erstrebenswert wie ein verstärkter Militäreinsatz. Er kann einmal für die Rechte von Homosexuellen eintreten und dann für ihre Diskriminierung. Trump will nur siegen. Doch das wird von Tag zu Tag auch wegen katastrophaler Umfragewerte schwieriger – und macht seine Tweets noch zorniger.

Schuld daran, so denkt er, sind die Medien, die ihn unbarmherzig verfolgen. Deshalb schaut er stundenlang Fox News, wo er noch angehimmelt wird. Die "New York Times" verfolgt er mit tiefem Hass und gibt den Reportern seiner früheren Leibzeitung dennoch alle paar Wochen ein Interview, weil er hofft, sie doch noch von seiner Größe überzeugen zu können.

Zweifel an der Legitimität seines Wahlsieges

Das Schlimmste ist die Affäre rund um die russische Einmischung in den Wahlkampf, die nur noch Trump selbst anzweifelt. Sie stellt die Legitimität seines Wahlsieges infrage, und deshalb muss das Thema weg. Es hält ihn nächtens wach und treibt ihn frühmorgens zum Twittern, wenn wieder eine Unterstellung über die Verwicklung seiner Leute in die "Fake News Media" gelangt.

Dass dies die Rache der Geheimdienstmitarbeiter ist, die er vor den Kopf gestoßen hat, will er nicht wahrhaben. Stattdessen hat er FBI-Chef James Comey gefeuert, weil dieser ihm nicht versprechen wollte, die Untersuchungen einzustellen. Deshalb ist er so wütend auf den treuen Justizminister Jeff Sessions, der ihm vor dem Sonderermittler Robert Mueller nicht bewahrt hat. Deshalb wird er früher oder später Mueller feuern, auch wenn das ihn erst recht dem Vorwurf der Justizbehinderung aussetzt.

Das ist ihm gleichgültig, weil er ja unschuldig ist. Das Russland-Thema ist eine Erfindung Hillarys, und die hat er doch besiegt, oder? Und die drei Millionen Stimmen, die die Demokratin mehr erhielt, kamen bekanntlich von Wahlbetrügern.

Das einzige Prinzip, das Trump kennt, ist das der Straße: "Wenn er angegriffen wird, schlägt er zehnmal so hart zurück", sagt Melania Trump über ihren Mann. Deshalb mag dieser Militärs, die nicht lange fackeln, ebenso wie autoritäre Herrscher vom Typ Putin, al-Sisi oder Duterte. Und deshalb kann er auch das Prinzip des freien Handels nicht verstehen: Dass auch die USA davon profitieren, wenn sie günstige Waren aus China oder Mexiko beziehen, das passt nicht in ein "Er oder ich"-Weltbild.

Zu wenige loyale Trumpianer

Bei der Personalauswahl kennt Trump nur eine Maxime: Loyalität. Er traut am ehesten seiner Familie oder Menschen, von denen er glaubt, dass sie ticken wie er. Deshalb lahmt der Regierungsapparat: So viele treue Trumpianer gibt es gar nicht, um die tausenden Beamtenposten zu besetzen, die in allen Ministerien und Behörden immer noch vakant sind.

Dass die USA die unfähigste Regierung hat, die irgendeine westliche Demokratie seit 1945 erlebt hat, liegt nicht nur am dicken Kind im Weißen Haus. Auch die Republikaner haben die Fähigkeit zum Regieren verloren. Nach dem außenpolitischen und wirtschaftlichen Bankrott der Bush-Regierung verlagerten sie sich auf Frontalopposition gegen Obama – und finden jetzt nicht mehr zum notwendigen Pragmatismus zurück.

Ihr Scheitern bei der Gesundheitsreform war vorbestimmt, und die Aussichten für eine umfassende Steuerreform sind nicht besser. Denn dafür müsste man tausende Steuerausnahmen streichen, die alle von Interessengruppen verteidigt werden. Dazu ein Präsident, der die Arbeit des Kongresses nicht begreift und sich ständig widerspricht: Es kann gut sein, dass die Republikaner trotz ihrer Mehrheiten keine wesentlichen Gesetze durchbringen werden.

Inkompetenz und Dysfunktionalität

Diese Inkompetenz bestimmt die gesamte Regierung. Die Dysfunktionalität des Außenministeriums unter Rex Tillerson ist bekannt. Michael Lewis beschreibt in einem erschreckenden Artikel in "Vanity Fair" die Ignoranz der Führung im Energieministerium, das für die Sicherheit des Atomarsenals zuständig ist. Energieminister Rick Perry wusste zunächst gar nicht, was sein Ressort tut, und die Experten im Haus wundern sich, dass niemand mit ihnen spricht, aber lebenswichtige Abteilungen geschlossen werden sollen.

Nur das Heimatschutzministerium funktioniert halbwegs: Es schiebt konsequent illegale Einwanderer ab. Das hat seinen Chef John Kelly dazu prädestiniert, als neuer Stabschef Stabilität ins Weiße Haus zu bringen. Ob ihm dies gelingen kann, ist fraglich. Er kann zwar die Mitarbeiter in den Griff bekommen, nicht aber seinen Chef. Selbst wenn er den Eingang zum Oval Office kontrolliert, damit nicht jeder Trump etwas ins Ohr flüstern kann – dessen Twitter-Zugang wird Kelly nicht abdrehen können.

Eine Atempause kann Kelly dem Präsidenten wohl verschaffen, solange keine weltpolitische Krise ausbricht, der Trump nicht gewachsen ist. Aber im Herbst droht Gefahr von der Wirtschaftsfront. Die Frist für den Beschluss eines neuen Bundesbudgets endet Ende September, sonst müssen wichtige Regierungseinrichtungen schließen.

Auch eine Steuerreform mit einer kräftigen Senkung der Unternehmenssteuern kann von der republikanischen Mehrheit erst beschlossen werden, wenn der Haushalt steht. Geichzeitig muss der Kongress außerdem den Schuldendeckel anheben, damit neue Anleihen ausgegeben werden können. Sonst droht der Staatsbankrott.

Doch über keines dieser Ziele herrscht in Regierung und Kongress auch nur annähernd Einigkeit zwischen Moderaten und jenen Radikalen, die einen Kahlschlag im Staatsapparat fordern. Ein totales Patt würde auch die Börse treffen, deren Stärke der Präsident ständig als seinen Erfolg herausposaunt. Doch bei Rückschlägen wird Trump noch unberechenbarer – ein Teufelskreis, der die Weltwirtschaft gefährden könnte.

Wie kann sie enden?

Auch bei den Republikanern wächst die Verzweiflung über ihren Mann im Weißen Haus. Dass diese Präsidentschaft noch dreieinhalb Jahren dauern soll, kann sich kaum jemand vorstellen. Selbst zwei Jahre sind zu viel. Doch wie kann sie enden? Ein Absetzungsverfahren wegen Gesetzesbrüchen (Impeachment) ist unwahrscheinlich, solange die Republikaner den Kongress kontrollieren. Denn das würde sie selbst belasten.

Mancher denkt daran, Trump unter dem Verfassungsartikel 25 als amtsunfähig abzusetzen. Dafür braucht es die absolute Mehrheit im Kabinett und – wenn Trump nicht freiwillig geht – Zweidrittelmehrheiten in beiden Kongresskammern. Doch es ist gut möglich, dass die Demokraten eine solch elegante Lösung – und damit einen Präsidenten Mike Pence – blockieren. Die Folge wäre eine Verfassungskrise, die die wunderbaren Erinnerungen an den 8. November weiter verblassen lassen würde. (Eric Frey, 5.8.2017)