Traurig, aber wahr: Bei den einst stolzen Spaniern machen sich Weiner- und Zimperlichkeit breit. Kaum zählt man mehr als dreißigtausend Sonnenhungrige in einer einsamen Bucht, hebt sofort ein öffentliches Greinen über angeblichen "Massentourismus" an. Kürzlich haben verbohrte Jungfundamentalisten sogar damit begonnen, die Reifen von Touristenbussen aufzustechen, um gegen Airbnb, explodierende Mieten und die galoppierende Verballermannisierung des Landes zu protestieren.

Dabei leidet der Ballermann zu Unrecht an einem schlechten Ruf. Der Krisenkolumnist kann aus eigener Erfahrung berichten. Vor Jahren unternahm er aus ethnologischem Interesse und Spaß an der Freud eine Reise ins Epizentrum des mallorquinischen Vergnügungsgeschehens. Ich kam geläutert zurück.

Zur Zeit meines Aufenthaltes gab es dort gerade eine Debatte, ob man nicht per Gesetz höhere Balkongeländer verfügen sollte, weil zuvor etliche beschwipste Touristen aus ihren Wohnungen abgestürzt waren. Das tat dem Spaß aber keinen Abbruch. Am Ballermann gilt Schillers schönes Balladenwort: "Wer zählt die Völker, nennt die Namen, die gastlich hier zusammenkamen?" Hier trifft der englische Hooligan auf den deutschen Subproletarier, auch führende Repräsentanten des österreichischen Ruaßes geben sich gern ein Stelldichein.

Das typische Morgenvergnügen von Ballermännern und Ballerfrauen ist der Verzehr von reichlich Alkohol. Man genießt selbstkreierte Mischungen (etwa: zwei Liter Gin zu gleichen Teilen mit Whisky, Wodka, Wermut und Sekt aufgespritzt) und trinkt mit dem Strohhalm aus dem klassischen Plastikkübel.

Nach dem Vorglühen schaut man zum Aufwärmen auf einen Vier- oder Fünfliterkrug Bier ins "Oberbayern", wo halbnackte Damen auf den Tischen tanzen – zugleich eine charmante Leistungsschau der Tätowierkunst und plastischen Brustvergrößerungschirurgie, gamsig wie Sau. Dazu gibt's eine Batzen-Musi. Als ich dort war, grölte man gerade ununterbrochen Peter Wackels Top-Hit "Ein Leeeben laaang – die gleiche Unterhooose aaaaan!" Ein Heidenspaß!

Es wäre eine Schande, wenn verbiesterte Tourismuspuritaner diesem harmlosen Vergnügen den Garaus machten. Vom Schaden für die ortsansässigen Hepatologen, die gelegentlich zu einer Nottransplantation ausrücken müssen, ganz zu schweigen. (Christoph Winder, 5.8.2017)