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Das System der lebenslangen Beschäftigung von Mitarbeitern, aber auch Höflichkeit und Demut haben Unternehmen in Japan eine hohe Überlebensfähigkeit beschert.

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Was haben Nikon (Kameras), Subaru und Mitsubishi Motors (Autos), Meiji und Morinaga Milk (Nahrungsmittel), Toto (Toiletten), Mikasa (Sportartikel), Yokohama Rubber (Reifen) und Kikkoman (Sojasauce) gemeinsam? Sie gehören zu den 1118 Unternehmen in Japan, die laut Marktforscher Tokyo Shoko Research 1917 gegründet wurden und nun einhundert Jahre bestehen.

Allerdings haben sich diese Unternehmen während dieser Zeit oft dramatisch gewandelt. Subaru begann im Mai 1917 als Nihon Hikoki und Nakajima Aircraft und stellte zuerst Flugzeuge her. Das erste "Subaru"-Auto wurde nach dem Krieg gebaut. Nikon entstand im Juli 1917 als Nippon Kogaku Kogyo durch den Zusammenschluss dreier Firmen und stellte anfangs Ferngläser, Mikroskope und Linsen her. Die erste eigene Kamera wurde ebenfalls erst nach dem Krieg produziert.

Yokohama Rubber startete im Oktober 1917 als Drahthersteller. Die erste Reifenfabrik entstand drei Jahre später. Auch der heutige Sportballriese Mikasa wurde im Mai 1917 als Gummihersteller gegründet.

Rüstungsaufträge

Der Gründerboom war eine Folge des Ersten Weltkriegs. Viele Jungunternehmen erhielten damals Aufträge vom Militär in Japan und im Ausland, weil der Krieg die weltweiten Lieferketten empfindlich gestört hatte. Russland zum Beispiel verlor nach Angaben des österreichischen Militärhistorikers Harald Pöcher seine Kontakte zum Deutschen Reich und zu Österreich-Ungarn und kaufte seine Kanonen und Munition ab Frühjahr 1915 in Japan ein. Frankreich bestellte 1917 in Japan zwölf Zerstörer, die man wegen des Krieges nicht selbst bauen konnte. Die ausländische Nachfrage nach Militärgütern kurbelte die Exporte kräftig an.

Der Krieg kam für Japans Wirtschaft insofern zu einem günstigen Zeitpunkt, als gerade die zweite Stufe der Industrialisierung einsetzte. Beim ersten Gründerboom Mitte der 1880er-Jahre waren vor allem Leichtindustrie, die Banken, das Transportwesen und viel Handwerk entstanden. Nun folgten die Schwerindustrie, darunter der Schiffsbau und die Reifenherstellung, sowie die Produktion von Maschinen und Motoren. So ging im Oktober 1917 Japans erster Autohersteller Mitsubishi Motors an den Start.

"Japan-Industrie-Klub"

"Der Krieg beschleunigte die Industrialisierung, weil bisherige Importe plötzlich wegfielen und die Waren selbst hergestellt werden mussten", analysiert Franz Waldenberger, Direktor der Deutschen Instituts für Japanstudien in Tokio. Zu diesem Zeitpunkt habe Japan schon eine ausreichende industrielle Basis vom Kapitalstock über qualifizierte Arbeitskräfte bis zu Technologien aufgebaut, um die neuen Chancen auf dem Weltmarkt zu nutzen.

Die Großunternehmer brauchten nun ihre eigene Organisation und gründeten im März 1917 den "Japan-Industrie-Klub", in dem Mitsui und Mitsubishi das entscheidende Wort hatten. Mit der unverdächtigen Losung "Entwicklung der Wirtschaft" konnten sie Regierung, Militär und Parteien beeinflussen, schreibt der japanische Historiker Kiyoshi Inoue.

Kriegsaufschwung

Der "Große Kriegsaufschwung" erfasste auch die Landwirtschaft, die ihre Produktion von 1914 bis 1919 im Wert verdreifachte. Das System der Selbstversorgung brach zusammen, Großgrundbesitzer vergrößerten ihre Flächen, und Nahrung wurde nun industriell hergestellt.

Im September bzw. Dezember 1917 entstanden die Vorläufer von Morinaga Milk und Meiji Dairies. Ihr erstes Produkt war jeweils Kondensmilch. Auch dafür gab es Nachfrage von militärischer Seite. Heute ist Morinaga Japans führender Schokoladenproduzent und Meiji Holdings einer der größten Süßwarenhersteller der Welt. Im Dezember 1917 schlossen sich auch mehrere Familienbetriebe für Sojasauce zum Vorgänger von Kikkoman zusammen, um ihr Handwerk fortan in industriellem Maßstab zu betreiben.

Treue zu Mitarbeitern

Allerdings war dieser Gründerboom schon bald vorbei. 1923 zerstörte ein schweres Erdbeben die Hauptstadt Tokio, und Anfang der 1930er-Jahre rutschte Japan mit der westlichen Welt in eine schwere Wirtschaftskrise. Dass viele der 1917 gegründeten Unternehmen diese Durststrecken einschließlich des Zweiten Weltkriegs überlebten, sei den stabilen Beschäftigungsverhältnissen in Japan zu verdanken, meint Japan-Experte Waldenberger.

"Wegen des Systems der lebenslangen Beschäftigung werden die Leute in Japan bei Krisen nicht entlassen, sondern die Unternehmen versuchen, neue Geschäftsfelder zu erschließen", erläutert der deutsche Ökonom. Solche Restrukturierungen seien bis in die 90er-Jahre hinein durch ein Hausbankensystem ermöglicht worden, das seinen Kunden auch in Krisenzeiten beistand. Offenbar mit Erfolg: Nach einer Statistik der Bank of Korea sind 56 Prozent der weltweit über 3100 Firmen, die älter als 200 Jahre sind, in Japan zu Hause.(Martin Fritz aus Tokio, 6.8.2017)