Robby Müller fotografiert sich selbst im Juli 1988 in Memphis während der Dreharbeiten zu "Mystery Train".

Foto: Privatarchiv Robby und Andrea Müller

Harry Dean Stanton marschiert durch "Paris, Texas".

Foto: Wim Wenders Stiftung

Wim Wenders' "Paris, Texas" von 1984.

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Lars von Triers "Breaking the Waves" von 1996.

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Gemeinhin unterscheidet man zwei Schulen der Kameraarbeit. Die eine respektiert das natürliche, vorgefundene Licht; die andere hat ihre Wurzeln im Theater und setzt artifizielle Lichtquellen. Tatsächlich jedoch erfordert die erste größere Kunstfertigkeit. Das existierende Licht muss nämlich nicht nur angenommen, sondern gelenkt und seine Kraft verstärkt werden, damit es auf der Leinwand seine Wirkung entfalten kann. Robby Müller gehört eindeutig zur ersten Schule.

"Was für ein Licht schenkt mir der Raum?", lautet die erste Frage, die sich der holländische Kameramann an einem Drehort stellt. Er nimmt sich Zeit, die Antwort zu finden; das Verhalten des Lichts, seine von Ort, Tages- oder Jahreszeit abhängenden Launen, wollen genau studiert sein. Dabei sieht das Resultat, bei aller Realitätsnähe, oft anders aus. Müller setzt expressive Akzente und atmosphärische Kontraste. Sogar grellbuntem Neonlicht verleiht er eine Schönheit, die es im Kino vor ihm nicht hatte.

Master of Light ist ein stimmiger Titel für die Ausstellung, die ihm nun die Deutsche Kinemathek widmet. Er klingt zugleich banal, denn er ließe sich auf jeden großen Kameramann münzen. Triftigkeit gewinnt er jedoch durch Müllers Herkunft: Seine Arbeit knüpft, ganz unprätentiös, an die lebenspralle Tradition der niederländischen Malerei im 16. Jahrhundert an. Einen "Vermeer der Gegenwart" nannte ihn bei der Eröffnung Sandra den Hamer, die Direktorin des famosen Amsterdamer Filmmuseums EYE, wo die Ausstellung zuerst zu sehen war.

Umfassender Einfluss

Sie konzentriert sich auf Müllers Zusammenarbeit mit drei Regisseuren (Wim Wenders, Jim Jarmusch und Lars von Trier) und wirft nur wenige pointierte Schlaglichter auf weitere wichtige Arbeitsbeziehungen. Das ist keine fahrlässige, aber doch bedauerliche Reduktion, wenn man Müllers umfassenden Einfluss auf den Neuen Deutschen Film und das US-amerikanische Independentkino in Betracht zieht. In Berlin ist es etwas stärker eine Vitrinenschau geworden – die stimmungsvollen Polaroids sind ein Glanzlicht -, aber den Kern bilden auch hier lange Filmausschnitte, von denen einige klug als Triptychon montiert sind. Die Zusammenschau schärft den Blick für seinen lyrischen Stil: Wenn man im Wenders-Raum die erste Reihe mit Szenen aus den 70er-Jahren betrachtet, lässt sich durch die Lücken zugleich der Blick auf Paris, Texas (1984) erhaschen. In dieser Staffelung kann der Besucher jenen Suchbewegungen folgen, die Wenders/Müller zu Miterfindern des europäischen Roadmovie machten.

Einzigartig offener Blick

Die Ausstellung gewährt keinen tiefen Blick in Müllers Werkstatt; sie führt Magie vor. Bei Dreharbeiten wird der Kameramann selten gezeigt, auch zu Wort kommt er kaum. Wiederum ist die Schau hier zu sehr von den Regisseuren her gedacht, denen sie in Interviews die Deutungshoheit überlässt. Allerdings geben Videotagebücher Auskunft über das Temperament dieses Bildermalers. Müllers Blick ist einzigartig offen für Landschaften und Urbanität. Aber vor allem ist er den Darstellern zugeneigt, voller zärtlichem Erstaunen über ihre Präsenz und unerbittlicher Bewunderung für ihr Talent. Müllers Bildfindungen wollen dem Zuschauer die Muße geben, Dinge zu entdecken. Sie sind konzentriert wie eine Andacht.

Das gilt für die Arbeit mit Wenders, wo sich die Kamera in die Stille und die Bewegung im Raum versenkt, ebenso wie für den vergnügten Minimalismus bei Jarmusch, der sich nur mit größter Anstrengung und Sorgfalt herstellen lässt. Selbst in der fahrigen Wucht von Breaking the Waves stellt sich diese Kontemplation ein. Der Tumult der Gefühle mag bei Lars von Trier zwar die Welt aus den Angeln heben, aber das Vibrieren der Kamera bleibt achtsam, empfänglich und überlegt. (Gerhard Midding aus Berlin, 7.8.2017)