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Justin Gatlin (35) gab den Partycrasher beim Abschied von Usain Bolt.

Foto: AP/Tim Ireland

Nach dem Triumph gebot Justin Gatlin den 60.000 Zusehern im Londoner Olympiastadion, die seinen Sprint zum Weltmeisterschaftsgold über 100 Meter fast einhellig mit Buhrufen quittierten, durch eine eindeutige Geste Schweigen. Selbst hat sich der 35-jährige New Yorker erst durch Gesprächigkeit die Chance eröffnet, beim großen Abschied von Jahrhundertsprinter Usain Bolt als Partycrasher zu wirken.

Im Sommer 2006 war die Karriere des damals gerade aktuellen Olympiasiegers, Doppelweltmeisters und Weltrekordhalters über 100 m (9,77 Sekunden) nach einem positiven Dopingtest auf Testosteron eigentlich schon beendet gewesen. Als Wiederholungstäter – schon 2001, als Juniorläufer der Uni Tennessee, war er einschlägig positiv, also höchst negativ aufgefallen – blühte ihm eine lebenslange Sperre. Dann machte Gatlin allerdings seinem Spitznamen "Gatlin Gun" auch verbal alle Ehre, bot sich der US-Anti-Doping-Agentur als Kronzeuge an, sagte gegen seinen jamaikanischen Coach Trevor Graham aus und kam mit einer achtjährigen Sperre davon, die später sogar auf vier Jahre halbiert wurde.

Seit Sommer 2010 ist Justin Gatlin, der während seiner "Stehzeit" mit dem Wechsel zum American Football spekuliert und gemeinnützige Arbeit verrichtet hatte, wieder startberechtigt. Schon bald sprintete Gatlin quasi als personifizierter Schuss ins Knie der Leichtathletik wieder an der Spitze mit. Wo er im Startblock kauert, ist das Thema Doping, sind die erhobenen Zeigefinger auch präsent.

Die Duelle Böse gegen Gut mit Usain Bolt hat er bis Samstagabend allesamt verloren, obwohl der mutmaßlich saubere Gatlin schon schneller war als der sicher gedopte. 2015 lief er sowohl über 100 (9,74) als auch über 200 Meter persönliche Bestzeit. Möglich soll das neben fanatischem Training auch eine Ernährungsumstellung gemacht haben. Gatlin mutet seinem 1,85 Meter hohen und 80 Kilogramm schweren Athletenkörper zum Beispiel keine Süßigkeiten mehr zu. Eine Technikumstellung – er macht mehr Schritte und damit dem spitznamensgebenden Vorläufer des Maschinengewehrs (Gatling) alle Ehre – soll ihr Übriges am ledigen Vater eines siebenjährigen Sohnes getan haben.

Nach dem Londoner Sieg wähnt sich Gatlin wieder gesellschaftsfähig. Sogar Bolt bescheinigt ihm, Gold verdient zu haben. Nicht ausgeschlossen ist, dass er auch bei Olympia in Tokio 2020 die Nachfolge des Jamaikaners antreten will. (Sigi Lützow, 6.8.2017)