Bei der Salzburger "Aida"-Inszenierung dominieren Rituale ...

Foto: APA/BARBARA GINDL

... und Postkartenflair.

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Salzburg – Geschichte und Gegenwart reichen einander in Salzburg gern die Hände – und so ist hier anno 2017 etwa auch Peter Ruzicka, einst Intendant der Festspiele, im Publikum zu entdecken. Zu Beginn seiner kurzen Ära ersang sich Anna Netrebko eine Weltkarriere und festigte diese gleichenorts. Sie war Traviata, Mozarts Susanna und später Verdis Leonora, als Markus Hinterhäuser fast schon das geworden wäre, was er nun ist – Intendant.

Was immer auch szenisch geschah (oder leider nicht geschah), es war Netrebko die Garantin der Intensität großer Gefühle. Nicht anders nun bei Aida: Sie ist die intuitive Gestalterin, die ihre Impulsivität der jeweiligen Situation anpasst. Als Aida vermittelt sie Zerrissenheit ebenso wie die aufgezwungene Unterwerfung einer um Würde ringenden Tragödin.

An der Rampe singt es sich recht gut, aber die Inszenierung leidet dann doch ein wenig: Anna Netrebko (als Aida) und Luca Salsi (als Amonasro).
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Vokal anfangs ein wenig fragil, leuchtet ihr Sopran bald eindringlich. Die lyrische Pracht der fließenden Linien hat jenes narkotische Etwas, das auch bei dramatisch vermittelter Seelenpein ihren Charakter imposant wahrt. Farbliche und dynamische Schattierungen werden mit Leichtigkeit in den Dienst des Ausdrucks gestellt, aus dem die Befindlichkeit der Figur herauswächst. Überhaupt scheint sich diese Musik schließlich selbst jene szenische Würde zurückzuholen, die ihr die Regie hier tendenziell versagt – zum Finale des dritten Aktes beginnt die Tragödie ja ihrem Ende entgegenzurasen.

Und auch der unterinszenierte Francesco Meli, der als Radames vokal grandios ist und über ein kostbares Timbre verfügt, wird gepackt von dem, was zu gestalten wäre. Auch die zunächst etwas herb klingende Ekaterina Senenchuk (als Amneris) steigert sich zu bemerkenswertem dramatischem Furor, profitiert von einer aus der Musik sprudelnden szenischen Dichte.

Konventionelle Gestik

Das war auch bitter nötig bei einer Inszenierung, die sich auf statische Bilder zurückzog. Den riesigen Raum hat Christian Schmidt mit einem teilbaren, mobilen Kubus gefüllt, der sich als Rahmen für Tribünen ebenso eignet wie als Filmleinwand.

Regisseurin Shirin Neshat lässt in zwei Sequenzen Frauen und Männer als Aidas innere Bilder von Exil und Vertreibung aufleuchten. Hier erlangt ihre Arbeit Tiefe und Atmosphäre; doch leider kommen filmische Mittel spärlich zum Einsatz. Sie hätten eine ideale zweite Bedeutungs- und Bilderebene zu den Ritualen und kollektiven Gesten der Macht ergeben. So bleibt es vielfach beim Eindruck einer Fotoprobe, bei der die Sänger in konventioneller Gestik erstarren. Auch der vokal glänzende Luca Salsi war als Amonasro keine Ausnahme.

Nicht, dass Minimalismus kein Stilmittel wäre. Er müsste nur bewusst klischeefrei gestaltet werden, wie es in einer Szene immerhin geschah: Die Tribüne mit ihren Würdenträgern (auch eine Art religiöse Ökumene mit bärtigen Popen) dreht sich um 180 Grad, um den Blick auf eine Gruppe eingeschüchterter Flüchtlinge freizugeben.

Liebe zum Sanften

Es ist womöglich so: Dirigent Riccardo Muti will die Sänger musikpragmatisch nahe an der Rampe sehen, vielleicht ist ihm letztlich egal, wer unter ihm Regie führt. Er betont mit den Wiener Philharmonikern das Sanfte, sucht kammermusikalische Intimität bei straffen Tempi. Verdis Welt bleibt bei ihm trotz der Klangschönheit und Details aber lange ohne große Innenspannung, bleibt irgendwie respektable Routine, von deren Sängerfreundlichkeit natürlich auch der Staatsopernchor profitiert. Kollektive Musikszenen, wo Muti dann doch aufzudrehen bittet, wirken wiederum etwas dick.

ORF

In die Begeisterung (auch Angela Merkel war da) mischte sich ein Buh für die Regisseurin, die für diese versteinerte Liebschaft wohl nicht allein die Verantwortung trägt. Für die Abstraktion, das Weglassen von Pyramiden, Elefanten und Sandalenfilmästhetik und das Heben des Inhalts auf eine allgemeine Ebene der religiös-politischen Konflikte ist zu danken. Die Umsetzung aber gefror zu ein paar statischen Bildern, denen auch tanzende Männer mit Tiermasken nicht helfen konnten. (Ljubiša Tošić, 7.8.2017)