Junge Kenianer auf dem Schulweg in Kibera, einem Slum in Kenias Hauptstadt Nairobi. Auch bei der Parlamentswahl heute spielt die Jugend eine Nebenrolle.

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In Afrika lebt die weltweit jüngste Bevölkerung. Und von 226 Millionen im Jahr 2015 soll sie sich bis 2055 mehr als verdoppeln. Doch für junge Menschen bleibt der Kontinent – in politischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht – ein chronisch unerfreulicher Ort. Das ist die größte Herausforderung für afrikanische Regierungen.

Macht man weiter wie bisher, wären Wirtschaftskrise, Braindrain, Kriminalität, Unruhen und bewaffnete Konflikte die wahrscheinliche Folge. Afrika kann jedoch sehr wohl florieren, wenn seine Regierungen jetzt handeln, um die Energie und Dynamik der jungen Bevölkerung zu nutzen.

Das wird keine geringe Aufgabe, nicht zuletzt aufgrund des massiven Altersunterschieds zwischen der jungen Bevölkerungsmehrheit in Afrika und den Regierenden: Das Durchschnittsalter afrikanischer Präsidenten beträgt 62 Jahre, das Medianalter der Bevölkerung liegt bei 19,5 Jahren. Es ist fraglich, wie gut diese Entscheidungsträger über die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Jugend Bescheid wissen. Dazu kommt, dass in vielen Ländern eine Tradition der Gerontokratie vorherrscht, die junge Menschen aus kulturellen Gründen politisch ausgrenzt und ihre politische Beteiligung einschränkt. Jugendquoten in politischen Parteien, Parlamenten und anderen Institutionen könnten helfen, um dieses Hindernis zu überwinden.

Viel zu tun bleibt auch in der Wirtschaft. 2015 kamen laut Afrikanischer Entwicklungsbank zwölf Millionen Menschen im arbeitsfähigen Alter hinzu, aber es wurden nur 3,1 Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Millionen junger Menschen bleiben dadurch ohne wirtschaftliche Perspektive.

Kurz- und mittelfristig wird es praktisch unmöglich sein, ausreichend Arbeitsplätze zu schaffen, um den Bedürfnissen der Arbeitslosen und prekär Beschäftigten gerecht zu werden. Afrika verfügt über keinen großen Produktionssektor, in dem viele jungen Arbeiter unterkommen können. Aber es gibt Programme, die Abhilfe schaffen -- beispielsweise die vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und der Regierung Ruandas ins Leben gerufene Initiative Youth Connekt Africa, die eine jugendfreundliche Politik fördert, zum Beispiel den Zugang zu Finanzierungen und den Erwerb von Qualifikationen, die im Arbeitsmarkt der jeweiligen Länder tatsächlich gebraucht werden.

Keine Arbeitsvisa für Afrikaner

Angesichts der schlechten Aussichten zu Hause betrachten viele junge Afrikaner die Migration als ihre Chance für soziale Mobilität. Allerdings beklagte sich jüngst der Chef eines in Afrika ansässigen Großkonzerns über die Schwierigkeiten, Arbeitsvisa für Afrikaner zu erhalten. Es ist oft einfacher, ein Visum für einen britischen Staatsbürger zu bekommen als für einen gleich qualifizierten Bürger aus Ghana. Die Vision der wirtschaftlichen Integration, die in der Agenda 2063 der Afrikanischen Union dargelegt ist, kann nicht ohne innerafrikanische Arbeitsmigration umgesetzt werden, die jungen Menschen Karrieren auf dem Kontinent ermöglicht.

Es ist bezeichnend, dass so viele Afrikaner eher das Risiko auf sich nehmen, im Mittelmeer zu ertrinken, in entsetzlichen Anhaltelagern in Nordafrika zu leben oder in öffentlichen Parks in europäischen Städten zu schlafen, als in Afrika zu bleiben. Doch anders als oft behauptet emigrieren junge Afrikaner nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen. Vielmehr motiviert sie auch die Aussicht auf die Freiheit zu entscheiden, wer sie sein und wie sie leben wollen. Das sind gewiss auch die Gründe, die mich in jungen Jahren veranlassten, Afrika in Richtung Europa zu verlassen.

Tatsächlich ist der Wunsch nach einer Verbesserung der eigenen Lebenslage durch Migration ein zentrales Bestreben in der Geschichte des Menschen – und keine Wüste, kein Meer oder künstliche Barriere vermochte es aufzuhalten. Politische und kulturelle Ausgrenzung intensivieren diesen Wunsch. Aus diesem Grund ist jede Strategie, die sich nicht dieses umfassenderen Umfelds der Marginalisierung annimmt, eine Brücke ins Nirgendwo.

Hoffnung durch EU-Afrika-Gipfel

Bisher scheint Afrika in eine Zukunft verlorener Chancen und möglicherweise ernsthafter Instabilität zu taumeln. Und europäische Staaten bleiben damit beschäftigt, die Migration von dem Kontinent einzudämmen, anstatt sich der zugrunde liegenden Ursachen anzunehmen.

Doch es könnte einen Grund zur Hoffnung geben. Auf dem fünften EU-Afrika-Gipfel, der Ende dieses Jahres stattfinden wird, will man sich direkt auf die jungen Menschen in Afrika konzentrieren. Ebenso lautet das Motto der Afrikanischen Union für 2017: "Die demografische Dividende durch Investitionen in die Jugend nutzen".

Es bleibt zu hoffen, dass dies zu effektiven Initiativen führt, um die Zukunftschancen der jungen Menschen auf dem Kontinent zu verbessern, anstatt Barrieren zu errichten, die sie davon abhalten sollen, ihre Heimat zu verlassen. Um es in Anlehnung an Martin Luther King zu formulieren: Afrika steht vor der unerbittlichen Dringlichkeit des Jetzt. Man kann auch zu spät dran sein. (Mohamed Yahya, 8.8.2017)