Das nordkoreanische Atomprogramm sorgt nicht nur im Nachbarland Südkorea für Unbehagen (im Bild: die entmilitarisierte Zone an der gemeinsamen Grenze): Die USA erhöhen den Druck zunehmend, während China noch zum Dialog aufruft.

Foto: APA / AFP / Ed Jones

Bei der Übersetzung des Tweets von Donald Trump dachten viele Chinesen zuerst an ein Fußballmatch. "15:0" sei es ausgegangen, mit "sehr großen finanziellen Auswirkungen."

Doch der US-Präsident meinte die am Wochenende von allen 15 Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats einstimmig beschlossenen Strafmaßnahmen gegen das Regime von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un. Mit den jüngsten Abschüssen zweier Interkontinentalraketen hatte Kim die UN-Verbotsresolutionen erneut gebrochen. "China und Russland haben mit uns gestimmt", twitterte Trump triumphierend.

Einen Monat rangen die USA um die endgültige Fassung der Sanktionsresolution, vor allem mit China, dem wirtschaftlich Hauptverbündeten Nordkoreas, und mit Russland. Beide Staaten lehnten einen Öllieferstopp ab. Nach UN-Schätzungen kosten die neuen Strafmaßnahmen, die weltweit allen Ländern den Import nordkoreanischer Produkte von Kohle über Blei bis hin zu Meeresfrüchten verbieten, Pjöngjang ein Drittel der drei Milliarden US-Dollar, die es derzeit noch aus jährlichen Exporten erzielt.

"Die Sanktionen sind ein Kompromisspakt. Sie tun Kim in Wirklichkeit nicht sehr weh. Er bekommt nur weniger Dollar in die Hand," sagte Nordkorea-Experte Zhang Liangui von der Zentralen Parteihochschule in Peking dem STANDARD. Solche Verluste würden ihn "aber nicht gesprächsbereit machen und erst recht nicht zur Änderung seiner Aufrüstung mit Atomwaffen führen". Er wisse, dass die Waffen noch nicht einsatzbereit seien. "Kim ist nach seinen jüngsten Erfolgen sehr selbstbewusst. Er wird bestimmt bald wieder weitere Raketen testen und auch Atomwaffen."

Nordkorea droht USA

Zhangs Einschätzung wurde von Nordkoreas Außenminister Ri Yong-ho auf dem Südostasiengipfel in Manila am Montag bestätigt. Pjöngjang ist nach den Sanktionen nicht zu Gesprächen bereit. Seine Medien drohten den USA erneut einen "Feuersturm" an. Niemand dort solle sich mehr sicher fühlen.

Nur ein Stopp der Öllieferungen, die Nordkorea zum überwiegenden Teil aus China und zum restlichen Teil aus Russland bezieht, hätte Pjöngjang zu Verhandlungen zwingen können. Selbst Kim wisse, dass er ohne Öl weder seine Flugzeuge noch seine Panzer auf längere Zeit einsetzen könne. Pjöngjang habe zwar Vorräte angelegt, aber sie seien begrenzt. Seine wenigen Treibstofflager würden im Falle eines Krieges als Erstes zerstört. "Öl und Benzin sind die einzigen Produkte, bei denen man Kim, was Sanktionen betrifft, beeindrucken könnten." China und Russland aber tragen solche Sanktionen nicht mit. Sie weigerten sich, einem Lieferstopp in Bezug auf Nahrungsmittel und Öl zuzustimmen. Sie argumentieren mit humanitären Erwägungen, was aber nur für Nahrungsmittel zutrifft. Vor allem wollten Peking und Moskau keinen Kollaps des Kim-Regimes provozieren mit allen damit verbundenen Unwägbarkeiten, vom Chaos eines Regimewandels bis hin zu Flüchtlingen.

Sicherheitsrat nicht genug

Eine akute Kriegsgefahr sei mit den neuen UN-Beschlüssen nur aufgeschoben, warnt Zhang. Er glaube nicht, dass die USA noch einmal den UN-Sicherheitsrat anrufen würden, wenn Kim erneut eine Langstreckenrakete abschießt oder gar einen neuen unterirdischen Atomwaffentest unternimmt. "Sie werden dann alleine handeln," befürchtet er. Sie müssten es auch. "Denn sie haben ein Jahr Zeit, bis ihren Berechnungen zufolge Kim mit der Entwicklung seiner Atomraketen so weit gekommen ist, US-Territorium ernsthaft gefährden zu können."

Der erste Schritt Washingtons wären unilaterale US-Sanktionen gegen alle Staaten, Banken, Firmen oder Personen, die mit Nordkorea handeln oder Geschäfte machen. China, das 91 Prozent des gesamten Außenhandels Nordkoreas bestreitet, wäre am stärksten betroffen. Wenn all das Nordkorea nicht an den Verhandlungstisch bringe, würden die USA zu direkten militärischen Mitteln greifen, glaubt Zhang. Peking und auch Moskau wären "gezwungen, die neue Lage zu akzeptieren". Sie hätten keine andere Wahl. (Johnny Erling aus Peking, 7.8.2017)