Ideen für neue Investitionen hätte die Politik genug. Die Projekte stauen sich aber an.

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Wien/Berlin – Die schwäbische Hausfrau habe es schon immer gewusst: Niemand könne dauerhaft über seine Verhältnisse leben, tadelte Angela Merkel im Jahr 2008 die Schuldenmacher hinter der Finanzkrise. Die deutsche Sparpolitik ist seither ein Markenzeichen der Kanzlerin und ihres Finanzministers Wolfgang Schäuble.

Hohe Überschüsse

In den vergangenen Jahren hat die Bundesregierung regelmäßig Überschüsse erwirtschaftet und den Schuldenstand im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung von 80 auf unter 70 Prozent reduziert. Rund 54 Milliarden Euro blieb in den vergangenen beiden Jahren in der Staatskasse übrig. Im laufenden Wahlkampf wird heftig debattiert, wie man das Geld verwenden soll.

Die Politik dürfe den angehäuften Finanzpolster nicht überbewerten, warnt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Für Wahlgeschenke fehle der Spielraum, erklärt die Ökonomin Kristina van Deuverden. Einerseits sind die Überschüsse auch auf die niedrigen Zinsen zurückzuführen, die Deutschland auf seine Staatspapiere zahlt – das ist kein Dauerzustand.

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Andererseits altert die deutsche Gesellschaft schneller als die meisten anderen. Ausgaben für Pensionen, Gesundheit und Pflege werden wachsen, während der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung schrumpft. Die letzte Rentenreform 2013 war ein kurzsichtiges Wahlgeschenk an zwei Jahrgänge, das den Bund auf viele Jahre Milliarden kostet.

Genug Geld für Investitionen

Sowohl Herausforderer Martin Schulz (SPD) als auch Angela Merkel an der Spitze der Union versprechen, Investitionen anzukurbeln. Das habe nichts mit Prassen zu tun, sondern soll sich in Zukunft ordentlich rentieren.

Dass in Deutschland zu wenig investiert wird, bestreitet niemand. Seit mehr als zwanzig Jahren sinkt der Anteil der öffentlichen und privaten Investitionen am Bruttoinlandsprodukt. Berichte über lecke Schuldächer und bröckelnde Autobahnbrücken sorgen für allgemeine Empörung.

Bei den dafür zuständigen Kommunen klaffte 2016 eine Investitionslücke von 126 Milliarden Euro, wie die Förderbank KfW in ihrer jüngste Analyse berechnet. Zwar sind das rund zehn Milliarden weniger als noch im Jahr davor, aber der Nachholbedarf bleibe enorm, sagte KfW-Chefvolkswirt Jörg Zauner. Demnach fehlt den Kommunen bei den Straßen und bei den Schulen jeweils über 30 Milliarden Euro.

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"Worauf warten?", fragt sich da so mancher Bürger. Tatsächlich hat die Bundesregierung bereits 2015 einen Fonds eingerichtet, der ärmeren Kommunen dringend nötige Projekte ermöglichen soll. "Dieser wurde kaum angetastet", sagt der DIW-Ökonom Simon Junker im Gespräch mit dem STANDARD.

Den Kommunen fehle es schlicht an Planungskapazität. Diese müssten aufgebaut werden, bevor weiteres Geld für Projekte angestaut wird. Im Grundgesetz strikt getrennte Kompetenzen verhindern, dass Mittel von Bund und Ländern zusammen in Sanierungsprojekte fließen. Dieses Tabu wurde teilweise gebrochen, um besonders baufällige Schulen vor dem Verfall zu bewahren.

Private gehen ins Ausland

Das Phänomen voller Taschen bei gleichzeitig geringen Investitionen betrifft auch Private. Ein Grund dafür sind mangelnde Rahmenbedingungen. Im "Ease of Doing Business"-Ranking der Weltbank fiel Deutschland heuer auf Platz 17 zurück. Unter der Rubrik "Gründen" liegt die Bundesrepublik auf dem blamablen Platz 114. Gewinne und Ersparnisse des Mittelstands werden daher lieber im Ausland angelegt, erklärt Junker.

Den Standort zu reformieren ist zwar nicht einfach, aber günstig. Die Budgetüberschüsse könnten dann über eine Entlastung der Einkommen an die Steuerzahler zurückgegeben werden. So bliebe das Sparen den schwäbischen Hausfrauen selbst überlassen. (Leopold Stefan, 8.8.2017)