Die Wissenschafter konnten beobachten, dass Goldatome sich in eine zuvor geschlagene Delle bewegen und sie wieder fast ganz auffüllen.

Foto: KIT

Karlsruhe – Sogenannte selbstheilende Oberflächen können Schäden wie Kratzer, Risse oder Dellen selbständig reparieren und damit ihre ursprüngliche Gestalt wieder annehmen. Um das zu bewerkstelligen, müssen derartige Materialien aus mehreren Komponenten zusammengesetzt sein. Nun haben internationale Wissenschafter entdeckt, dass auch winzige Partikel aus reinem Gold über erstaunliche Selbstheilungskräfte verfügen.

Werkstoffe mit Formgedächtnis auszustatten, ist eine umständliche Aufgabe. Bei reinen Metallen galten Selbstheilungskräfte, die mechanisch verursachte Schäden reparieren, bislang als unmöglich. Aber genau solche haben die Forscher jetzt bei reinem Gold beobachtet und in der Fachzeitschrift "Advanced Science" darüber berichtet.

Komplexe Selbstheilung

"Bislang hat man sich bei der Suche nach solchen Werkstoffen auf Kunststoffe aus vielen Bestandteilen und komplizierten Strukturen konzentriert", erklärt Christian Brandl vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Deren Selbstheilungskräfte basierten allesamt auf der kollektiven Umwandlung der Phasen eines oder mehrerer Stoffe, aus denen sie zusammengesetzt sind. Etwa durch Erhitzen, Schmelzen oder Fällung, wobei sich die Materialeigenschaften ändern können.

Bei Metalllegierungen beruht der Formgedächtniseffekt auf dem Phänomen, dass sie in zwei unterschiedlichen Kristallstrukturen existieren können, die von einer bestimmten Temperatur abhängen. Verändert sich diese, "erinnern" sich die Metalle an ihre frühere Formgebung, die sie bei der jeweiligen Temperatur innehatten. Der Selbstheilungseffekt ist weder bei den Verbundstoffen noch den Legierungen jemals vollständig.

Rätselhafte Goldpartikel

Eine Selbstheilung beziehungsweise ein Formgedächtnis von reinen Metallen war bislang gänzlich unbekannt. Genau das hat eine internationale Forschergruppe um Brandl und Eugen Rabkin am Technion – Israel Institute of Technology aber jetzt bei Goldpartikeln beobachtet. Die vielgestaltigen Partikel nahmen dabei nahezu vollständig ihre individuelle ursprüngliche Form wieder an. Irgendeine Verformung gab es nicht. "Das Faszinierendste dabei ist, dass die wiederhergestellten Partikelformen nicht der mit der geringsten Oberflächenenergie entsprachen, was zu erwarten gewesen wäre", sagt Brandl.

Zunächst in Simulationen in Hochleistungsrechnern und dann real mit der Messspitze eines Rasterkraftmikroskops hatten die Forscher den Partikeln mechanische Schäden beigebracht. Sie stellten fest, dass sich durch Ausglühen bei Temperaturen weit unterhalb der Schmelztemperatur von Gold Goldatome entlang von Oberflächenstufen zurück in die Dellen bewegen und diese fast vollständig wieder auffüllten.

Solche Oberflächenstufen treten in vielen verformten Metallen auf. Deshalb rechnet Brandl damit, dass auch andere Metalle über die beobachteten Selbstheilungseigenschaften verfügen. Die Forscher rechnen damit, dass mithilfe ihrer Ergebnisse robuste Bauteile für Strukturen kleiner als ein Tausendstelmillimeter konstruiert werden können. (red, 11.8.2017)