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Das Geschäft läuft Tag und Nacht: An der Kurfürstenstraße in Berlin bieten Frauen ihre Dienste an, Anwohner und Geschäftsleute sind seit Jahren genervt. Doch der Senat lehnt einen Sperrbezirk ab.

Foto: dpa / Tim Brakemeier

Es gibt praktisch keine Pausen. Rund um die Uhr stehen an der Berliner Kurfürstenstraße Frauen und warten am Straßenrand. Was sie anbieten, ist offensichtlich. Schon in den 1920er-Jahren wurde hier Sex verkauft, doch seit einigen Jahren ist der Zustand am "traurigsten Straßenstrich Berlins", wie die Meile genannt wird, für die Anwohner unerträglich.

Sex von jungen Prostituierten aus Osteuropa ist hier schnell und billig zu haben, die Folgen sind überall am Straßenrand zu sehen: Benutzte Kondome en masse, Fäkalien, Dreck, Feuchttücher, gelegentlich auch Unterwäsche. Die BSR (Berliner Stadtreinigung) kämpft sich zwar jeden Tag und damit häufiger als anderswo in Berlin durch die Gegend. Aber sie reinigt nur Straßen und Gehwege. Auf Grünflächen bleibt so viel Müll liegen, dass man leicht vergisst, sich eigentlich im schicken Berlin-Mitte, dem Regierungsbezirk, zu befinden.

Sex auf Spielplätzen neben Kindern

Die Zustände sind seit langem bekannt, und nun will der grüne Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel sie nicht mehr hinnehmen. "Die Straßenprostitution rund um die Kurfürstenstraße hat ständig zugenommen. Alles, was dort versucht wurde, brachte keinen dauerhaften Erfolg. Gewerbetreibende, Kunden und Anwohner werden unfreiwillig Zeugen des sexuellen Vollzugs in allen Ausprägungen. Auf Spielplätzen wird am Tage öffentlich kopuliert, während daneben das Kind die Rutsche runterrutscht", erklärt er.

Daher will er Straßenprostitution, die in Berlin grundsätzlich außer in der Nähe von Schulen erlaubt ist, verbieten und sagt klar: "Man muss die Illusion aufgeben, die Probleme des Straßenstrichs wegmoderieren zu können."

Seine Forderung: Berlin solle mehr Großbordelle einrichten, so hätte man die Szene auch besser unter Kontrolle. In Köln etwa hat die Stadt auf einem Gelände sogenannte "Verrichtungsboxen" aufgestellt. Auf diesen umzäunten Parkplätzen erfolgen die Geschäfte, es gibt sanitäre Einrichtungen und Alarmknöpfe. Andere deutsche Städte haben dieses Modell übernommen.

Doch Bezirksbürgermeister Dassel hat ein Problem: Ein Verbot der Straßenprostitution in Berlin kann er nicht mal für seinen Bezirk aussprechen, das müsste der rot-rot-grüne Senat tun. Doch weder in der Senatsverwaltung für Inneres noch für Gesundheit ist man von dem Plan begeistert.

Verlagerung ins Umland

Der Sprecher der Senatsverwaltung für Gesundheit, Christoph Lang, weist auf den Verdrängungseffekt hin – Prostitution könnte sich ins Berliner Umland verlagern. "Es bringt nichts, wenn Prostituierte dann an der Landstraße in Spandau stehen, wo es nicht sicher ist", sagt er im Berliner "Tagesspiegel".

Selbst grüne Parteifreunde von Dassels wollen nicht mitziehen. "Lebensfremd und kontraproduktiv" nennen Grünen-Landeschef Werner Graf und Fraktionsvize Sebastian Walter von Dassels Ansinnen. Die Lösung sehen sie wie der sozialdemokratische Koalitionspartner in einem anderen Konzept: Man brauche mehr Streetworker, mehr Polizei und mehr Beratungsstellen. Das alles will der Senat bei einem runden Tisch zum Thema "Sexarbeit" beraten.

Schon vor vier Jahren wollte die damals regierende CDU zumindest von vier bis zwanzig Uhr eine Sperrzeit an der Kurfürstenstraße verhängen. Sie scheiterte damit. (Birgit Baumann aus Berlin, 9.8.2017)