Thomas Zach, Sprecher der VP-nahen Stiftungsräte (links), und FPÖ-Rat Norbert Steger 2015 bei einer Sitzung des obersten ORF-Gremiums.

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Wien – Norbert Steger sieht sich bestätigt: Seit Jahren verlangt der Vertreter der FPÖ im obersten ORF-Gremium ein neues ORF-Gesetz. "Die Notwendigkeit hat sich durchgesetzt bei den drei in Zukunft wahrscheinlich größten Parteien", sagt Steger auf Anfrage des STANDARD. SPÖ, ÖVP und FPÖ dürften freilich nicht unbedingt dasselbe ORF-Gesetz meinen.

Steger redet nach STANDARD-Infos mit Stiftungsräten und/oder Medienpolitikern von SPÖ wie ÖVP, um ein neues ORF-Gesetz nach der nächsten Wahl vorzubereiten. Der Rechtsanwalt, Ex-FPÖ-Chef und Vizekanzler der SPÖ-FPÖ-Koalition von 1983 bis 1986 hat nach STANDARD-Infos konkrete Pläne für den ORF, will sie aber auf Anfrage nicht kommentieren:

  • Aufgabe und Auftrag Steger argumentiert für eine präzisere Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Der ORF kaufe mit öffentlichem Geld den Markt leer und mache die Privaten nieder. Er möge sich über Qualität und nicht über Reichweiten definieren.
  • Aufsicht Statt derzeit 35 Stiftungsräten, je neun von Bundes- und Landesregierungen entsandt, will er zwölf Aufsichtsräte plus Betriebsräte. Die zwölf sollen, weiterhin weisungsfrei, nach dem Kräfteverhältnis im Nationalrat zusammengesetzt sein. Das wären nach heutiger Mandatsverteilung je vier Räte für SPÖ und ÖVP, drei für die FPÖ, einer für die Grünen. Über einen Ländervertreter im Stiftungsrat soll er nachdenken.
  • Geschäftsführung Steger soll für mehrere Vorstände statt eines Alleingeschäftsführers plädieren. Wie bei Aktiengesellschaften brauchen sie eine Mehrheit der Kapitalvertreter. Bisher stimmen im ORF-Stiftungsrat die Betriebsräte gleichgewichtig mit.
  • Ablaufdatum Mit dem Gesetz soll die Funktionsperiode der 2016 bestellten Führung enden. Steger soll vom "Nebeneffekt" sprechen, nicht Ziel des Gesetzes. Mit demselben Ergebnis: Neubestellung.
  • Medienausschuss Steger wünscht sich schon länger zudem einen Medienausschuss im Parlament für alle einschlägigen Materien, etwa aller Förderungen. Die sähe er dort transparent und "nicht nach Gutsherrenart abgewickelt", berichten Gesprächspartner.
  • Ethikausschuss Bisher beschicken ORF-General und Redakteursrat den ORF-Ethikausschuss, der über die Vereinbarkeit von Vorträgen und Nebentätigkeiten mit Unabhängigkeit und Objektivität entscheidet. Den Rat will Steger dem Stiftungsrat zuordnen und ihm eine zweite Instanz geben.

Informelle Kontakte

Informelle Kontakte mit Steger bestätigt man bei ÖVP wie SPÖ. Von Einigkeit über Stegers Vorstellungen will man aber da wie dort nicht sprechen.

Thomas Zach, Sprecher der ÖVP-nahen Stiftungsräte, findet eine Anpassung des Gesetzes notwendig, er nennt als Beispiel digitale Verbreitungsmöglichkeiten; dafür sei aber der Gesetzgeber zuständig. Den sieht Zach "nach der Wahl gefordert, sich dieses Themas rasch anzunehmen".

Medienminister Thomas Drozda (SPÖ) nannte als Themen für ein neues ORF-Gesetz Aufsichtsgremien, Programmauftrag und Finanzierung. Heinz Lederer, Sprecher der SP-nahen Stiftungsräte, ist für eine Haushaltsabgabe statt der GIS-Gebühr in einem Gesamtmodell für Medienförderung. Ein Präsidium des Stiftungsrats könnte operativ(er) tätig werden. Er bestätigt Kontakt auf Stiftungsratsebene, attestiert Steger "Weitsicht", kündigt aber "Widerstand" gegen Ideen an, "den ORF zu zerschlagen". Die vermutet er bei FPÖ und ÖVP.

Privatisierung von ORF-Kanälen dürfte dort vorerst eher Drohpotenzial sein. Auch Bürgerliche warnen vor der Optik einer Generalsablöse prompt nach Regierungsbildung.

Regionale Mobilmachung

Die (überwiegend bürgerlichen) Länder-Stiftungsräte rücken gerade enger zusammen, um Regionalinteressen Nachdruck zu verleihen – gegen weitere, millionenschwere Einsparungen auch in den Landesstudios etwa. ORF-Chef Alexander Wrabetz wird sich wohl in seinem Interesse bemühen, ihnen entgegenzukommen.

Schon am 21. August tut er das auch räumlich, wenn die ORF-Führung auf dem Großglockner die neue, von Roland Brunhofer durchregionalisierte und per Truck mobilisierte Daytime in ORF 2 eröffnet – dann von "Guten Morgen Österreich" über "Mittag in Österreich" und "Aktuell in Österreich" bis zu "Daheim in Österreich" am Vorabend, das "Heute leben" ersetzt.

Klausur: Vom Glockner auf den Kahlenberg

Gleich am 22. bis 24. August peilt die ORF-Geschäftsführung den nächsten, etwas bescheideneren Gipfel an: ORF-Chef Alexander Wrabetz ruft zur nächsten Strategieklausur, offenbar wieder einmal auf den Wiener Kahlenberg.

Es wird – trotz allerlei politischer Ambitionen und Pläne für den ORF – wohl noch nicht die letzte in alter Besetzung sein. (Harald Fidler, 9.8.2017)