Wien – Wie viele fremde Ideen in diesem Film stecken, kann man nur ahnen. Vermutlich sind es noch um einige mehr als in seiner Vorlage, und das will etwas bedeuten, denn diese stammt von Stephen King.

Die acht Romane bilden einen Zyklus und tragen Titel wie Schwarz, Tot oder Glas. Begonnen hat King seine Fantasysaga 1978 als Fortsetzungsgeschichte, bis 2012 wuchs das Unternehmen, das sich auf unzählige Nebenfiguren und -schauplätze erstreckt, auf tausende Seiten an. Hier findet sich fast alles, was das Fantasyuniversum aufzubieten hat: von Tolkien und der Artus-Sage bis zum Zauberer von Oz und Harry Potter. Es geht um alles und deshalb um nichts. Für King stellt Der Dunkle Turm sein Opus magnum dar, für risikofreudige Filmproduzenten eine Gelegenheit, Millionen zu verschwenden.

Idris Elba als Revolvermann "Gunslinger" soll zusammen mit einem durch ein geheimes Portal gekommenen Jungen den titelgebenden Dunklen Turm vor der Zerstörung durch Matthew McConaughey retten.
Foto: Sony Pictures

Dass Der Dunkle Turm seit mehreren Jahren das durchlaufen hat, was man in Fachkreisen gerne als Produktionshölle bezeichnet, ist also keine große Überraschung und nun im Kino offensichtlich. Star Wars-Regisseur J. J. Abrams interessierte sich bereits für den Stoff, später sollte Frank Darabont – der bereits Kings The Green Mile verfilmte – die Regie übernehmen, verschiedene Hauptdarsteller waren im Gespräch, und wie viele Drehbuchautoren für den Medienkonzern Universal damit beschäftigt waren, aus dem Stoff mehrere Filme und zusätzlich eine Fernsehserie zu schnitzen, weiß man nicht. 2015 leistete sich Sony Pictures die Übernahme, verpflichtete Idris Elba und Matthew McConaughey für die Hauptrollen und den Dänen Nikolaj Arcel, zuvor Drehbuchautor von Jussi-Adler-Olsen-Verfilmungen, für die Regie dieses Sommerblockbusters.

Damit ist die Entstehungsgeschichte dieses Films aber bereits spannender als dieser selbst. Denn was hier in zum Glück schlanken 94 Minuten erzählt wird, kann man höchstens – und wohlwollend – als Extrakt bezeichnen. Oder – weniger wohlwollend – als einen auf lose Ideen zusammengeschrumpften Rest. Aber auch ein solcher will bekanntlich verwertet werden.

Sony Pictures Entertainment

Natürlich hat Der Dunkle Turm auch eine Geschichte zu erzählen, weshalb sich im von Erdstößen heimgesuchten New York der Gegenwart ein von düsteren Visionen geplagter Junge (Tom Taylor) durch ein geheimes Portal in eine Parallelwelt aufmacht, dort einem Revolvermann (Elba), dem "Gunslinger", begegnet und mit diesem gemeinsam den Dunklen Turm vor der Zerstörung retten muss. Denn dieser hält die verschiedenen "Multiversen" – durch raumzeitliche Schnittstellen und Wurmlöcher miteinander verbundene Welten – zusammen und wird darob von einem bösen Mann in Schwarz (McConaughey) mit Blitzen bombardiert. Knapp vor Ende des Films findet ein entsprechendes Duell statt.

Die Dialoge in Der Dunkle Turm klingen so, als hätte Stephen King sie geschrieben. "Go to hell", sagt einer der guten Widersacher zum destruktiven Zauberer im Designermantel. "Been there", antwortet dieser, manipuliert Gedanken, rächt sich wie ein Bond-Bösewicht an seinen eigenen unzuverlässigen Helfern und Helfershelfern und fischt sich, als sei er gerade der Matrix-Serie entsprungen, mit bloßer Hand die auf ihn abgefeuerte Kugeln.

Handelsübliche Ästhetik

Ästhetisch ist Der Dunkle Turm von den handelsüblichen Science-Fiction-Dystopien, vorzugsweise für die Adoleszenz, nicht zu unterscheiden: Hunger Games, orkhafte Kreaturen, Maze Runner, Rebellenruinen, postapokalyptische Wüstenlandschaften, die Hochburg des Bösen als Aztekentempel und dazwischen der Westernheld, der in der Sekundenschnelle die Revolvertrommel rührt. "I saw the movie The Good, the Bad and the Ugly, and Clint Eastwood's Man with No Name was also an influence", wird King im Presseheft zitiert.

Der Dunkle Turm ist aber nicht nur das Resultat seiner aus dem Ruder gelaufenen Produktionsgeschichte – eine solche könnte nämlich durchaus auch ein künstlerisch achtbares Ergebnis zeitigen, wie die Kinogeschichte der Fehlschläge beweist -, sondern das Produkt einer Industrie, die sich wie zuletzt auch mit Transformers schon viel zu lange über das reine Spektakel definiert.

Stephen Kings enzyklopädische Odyssee rund um den Dunklen Turm braucht wahrlich nicht auch noch auf der Leinwand ausbuchstabiert werden. Sie nach dem Setzkastenprinzip auf ihre Schauwerte zu reduzieren, wird ihr jedoch auch nicht gerecht. (Michael Pekler, 10.8.2017)