Journalistin, Magazingründerin, Dichtertochter: Enzensberger.


Foto: Rosanna Graf

Wien – In Theresia Enzensbergers Romandebüt Blaupause geht es im Grunde um Widerstand: Den Widerstand einer besseren Tochter, die in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts andere Pläne für ihr Leben hegt als die Eltern, die sie gern zur Ehefrau heranziehen würden. Den Widerstand einer Künstlerausbildungsstätte gegen vorherrschende Denkweisen und Ästhetik. Das (gewaltsame) Aufbegehren linker Utopisten gegen politischen Mief.

Widerstandslos nimmt sich nur die Sprache der 1986 geborenen Tochter des Dichters Hans-Magnus Enzensberger aus. Die freie Journalistin (u. a. FAZ, Zeit online) und Gründerin des crowdfundingfinanzierten Magazins Block kann gerade und zugleich geschmeidige Sätze schreiben. Allerdings – vielleicht sind sie deshalb so flüssig zu lesen – schwelgen die in sprachlichen Klischees.

Man muss sich von keiner Zeile überraschen lassen. Schon auf der ersten Seite wird ein "Jubelschrei unterdrückt", dann erscheint ein Hereinbitten nicht origineller beschreibbar als "unwirsch", und schließlich wartet im Büro hinter der daraufhin geöffneten Tür ein "riesiger Schreibtisch in der Mitte, der unter haufenweise Papier begraben ist".

Emanzipatorischer Schritt

Jener Schreibtisch gehört Walter Gropius. Wir starten mit der Ich-Erzählerin in Weimar, der Kalender zählt 1921 und Luise Schilling bewirbt sich um einen Studienplatz für Architektur. Ein ungeheurer emanzipatorischer Schritt, üblicherweise landen Studentinnen in der Webereiklasse.

Auch in der wird sie kurz studieren. Ebenso wie im lebensreformatorischen Kreis der "Kuttenträger" um Johannes Itten. Deren Essens- und Meditationsbräuche wecken nach erstem Spott später aber noch einmal ihr Misstrauen. Ist dieser Messias nicht falsch?

Zwar zeichnet sich am Horizont des Entwicklungsromans gehöriges politisches Wetterleuchten ab: Deutschnationalismus, Antisemitismus, soziale Verwerfungen zwischen Viel- und Nichtshabern. Aber sie wirken kaum stärker auf die allermeisten Protagonisten ein als ferne dunkle Wolken auf ein Picknick. Vor allem interessieren sie sich für Studienkollegen, den Widerstreit zwischen Anhängern des Handwerks und Vorkämpfern industrieller Massenfertigung, Liebschaften und Sex.

Zeiten schwelender Krise

Campusroman nennt der Verlag Blaupause insofern zurecht. Und vielleicht bildet man so das alltägliche Leben in Zeiten noch nicht ausgebrochener Krise tatsächlich am akkuratesten ab. Es ist aber auf Dauer unbefriedigend zu lesen.

Dabei sind die Welten, die Luise als jüdische Berliner Industriellentochter mit Avantgardeambitionen verbindet, zweifellos schillernd. Interessant ist Blaupause daher, wo es Faktisches erzählt, als Informationswert scheint: Studienordnung und -strukturen, das "öffentliche" Leben am Bauhaus.

Dem ist auch so, weil der erzählerische Ball selbst bei Konflikten, die Luise direkt und persönlich betreffen, seltsam flach fliegt. Zweifellos sind die Zeiten in Veränderung begriffen. Auf vielen Ebenen. Die Figur ist klug, eine akribische Arbeiterin, sucht sich merklich. Vorerst ist sie aber so fein, säuberlich, lieb wie der Text. (Michael Wurmitzer, 9.8.2017)