Pjöngjang mobilisiert die Massen. Kim Jong-un rief am Mittwoch in der nordkoreanischen Hauptstadt zum Aufmarsch.

Foto: APA/ AFP / Kim Won-Jin

Eigentlich ist es keine Debatte, die da geführt wird in Washington, sondern eher ein Aufschrei kollektiven Entsetzens: Was hat er jetzt schon wieder gesagt? Seit Donald Trump in seinem Golfklub im lauschig verschlafenen Bedminster, New Jersey, verkündete, er werde Nordkorea mit "Feuer und Wut" begegnen, wie es die Welt noch nicht gesehen habe, fällt das Urteil gestandener Außenpolitiker ziemlich einhellig aus. Wenn der US-Präsident aus einem Impuls heraus die höchste verbale Eskalationsstufe wähle, beraube er sich dessen, worauf er in kniffliger Lage unter keinen Umständen verzichten sollte, warnen Republikaner wie Demokraten: Er beraube sich der Möglichkeit, unter verschiedenen Optionen zu wählen, gründlich abwägend, statt unter dem Druck unbedachter Äußerungen unter Zugzwang zu geraten.

Nordkorea begegnete Trumps Äußerungen am Mittwoch mit der Drohung, einen Raketenangriff auf die Gewässer rund um die 3500 Kilometer entfernte US-Pazifikinsel Guam zu erwägen. Dies könne mit einer atomar bestückbaren Rakete des Typs Hwasong-12 erfolgen. Eine solche Aktion gegen das US-Militär dort könne "jederzeit" ausgeführt werden, sobald Staatschef Kim Jong-un die Entscheidung dazu treffe. Zuletzt hatten Berichte über erhebliche Fortschritte von Pjöngjangs Atom- und Raketenprogramm für Beunruhigung gesorgt.

Nur ankündigen, was man erfüllen kann

John McCain ist ein Politiker, der durchaus Wert darauf legt, amerikanische Stärke zu demonstrieren. Ein Hardliner mit einem Hang zum Eigenwilligen – jedenfalls ohne die geringste Scheu, sich weit aus dem Fenster zu lehnen. Im Streit um die nordkoreanischen Atomwaffen geht der 80 Jahre alte Senator so prägnant auf Distanz zu Trump, wie es in dieser Deutlichkeit nicht unbedingt zu erwarten war. Er stoße sich an den Äußerungen des Präsidenten, sagte McCain einem Fernsehsender in Arizona, "weil du sicher sein musst, dass du das, von dem du sagst, dass du es tun wirst, auch wirklich tun kannst".

Richtig wäre es gewesen, hätte Trump die Maxime Teddy Roosevelts beherzigt, den Ratschlag, sanft zu sprechen und dabei einen großen Knüppel zu tragen – "talk softly and carry a big stick". Er, McCain, glaube auch nicht, dass ein Ronald Reagan oder ein Dwight Eisenhower die Sprache Trumps gewählt hätten, schob der Konservative hinterher. "Und ich sehe nicht, wie diese Art von Rhetorik hilfreich sein soll."

Mit dem Fuß aufstampfen

In Trumps Kabinett mag es Strategen geben, die den Staatschef dazu angestachelt haben, kräftig mit dem Fuß aufzustampfen, womöglich aus dem Kalkül heraus, den Handlungsdruck auf China zu erhöhen. Herbert Raymond McMaster, der Sicherheitsberater, hat vor wenigen Tagen in aller Öffentlichkeit betont, dass man an militärischen Szenarien arbeite. Verteidigungsminister James Mattis dagegen hat vor nicht allzu langer Zeit ebenso öffentlich vor den katastrophalen Folgen eines Krieges in Asien gewarnt. Welche Rolle altgediente Generäle wie Mattis, McMaster oder John Kelly, neuerdings Stabschef im Weißen Haus, in dieser Krise spielen, bleibt vorläufig unklar. Ob sie bremsen oder nicht, kein Außenstehender weiß das seriös zu sagen. Was ein Bluff ist und was nicht, auch diese Frage kann niemand beantworten.

Klar ist immerhin, mit welcher Skepsis etliche Parlamentarier, über Parteigrenzen hinweg, der Krisenstrategie des Oval Office begegnen. Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein spricht von "bombastischen Kommentaren", die nichts zur Lösung beitragen. Der Versuch, Nordkorea zu isolieren, sei gescheitert, doziert die Kalifornierin. Daher müssten die USA rasch – und auf hoher Ebene – einen Dialog mit Pjöngjang anstreben, und sie hoffe, dass Außenminister Rex Tiller-son genau dies mit seinen asiatischen Partnern diskutiere.

Mit hässlichen Worten in den Atomkrieg

Brian Schatz, ein Senator, der Hawaii, den potenziell von nordkoreanischen Atomwaffen bedrohten US-Bundesstaat im Pazifik, im Kongress vertritt, klagt über den Mangel an Expertise in den Reihen der Regierung, über noch immer unbesetzte Schlüsselposten im State Department. "Wir brauchen professionelle Leute, die diesen Prozess lenken", schreibt er auf Twitter. "Aus unseren Kriegen im Nahen Osten haben wir gelernt, dass schlechte Entscheidungen in einer schreck lichen Situation alles noch schlimmer machen."

Trump untergrabe Amerikas Glaubwürdigkeit, indem er eine "absurde" rote Linie ziehe, sagt Eliot Engel, der ranghöchste Demokrat im außenpolitischen Ausschuss des Repräsentantenhauses. Natürlich bedeute das nukleare Arsenal Nordkoreas eine echte Gefahr. Der Präsident aber habe jede Balance verloren, wenn er zu verstehen gebe, dass er als Reaktion auf die "hässlichen Worte" eines Despoten an den Einsatz von Atomwaffen denke. (Frank Herrmann aus Washington, 9.8.2017)