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Nicht erst seit kurzem verändert der Mensch die tropischen Wälder rund um den Globus. Manche Spuren reichen bis zu 45.000 Jahre zurück.

Foto: REUTERS/Bruno Kelly

Jena – Lange Zeit kursierte die Ansicht, dass Tropenwälder bis zum Beginn der Industrialisierung unberührte Natur waren – doch das ist ein Irrtum, wie nun eine internationale Forschergruppe nachgewiesen hat. Tatsächlich haben menschliche Eingriffe diese Wälder bereits seit mindestens Zehntausenden Jahren verändern. Die umfassende Studie von Wissenschaftern des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte und ihren Kollegen konnten drei Phasen der menschlichen Einwirkung auf die Tropenwälder ausmachen: die Jäger- und Sammlerkultur, kleinbäuerliche Landwirtschaft und große urbane Siedlungen.

Spuren, die auf bewusste Veränderungen des Ökosystems Wald hindeuten, gehen insbesondere in Südostasien bis zu 45.000 Jahre zurück. Damals wurden ganze Tropenwaldgebiete brandgerodet, um Tiere und Pflanzen zu begünstigen, die den Menschen damals als Nahrungsgrundlage dienten. Belege für ähnliche Aktivitäten gibt es auch in Australien und Neuguinea. Sofern der Mensch am Aussterben der Megafauna im Spätpleistozän (vor etwa 125.000 bis 12.000 Jahren) mitverantwortlich war, könnte auch dies erhebliche Auswirkungen gehabt haben, etwa auf die Vermehrung und Verbreitung von Pflanzen sowie auf den Baumbestand, was bis heute zu beobachten ist.

Früheste Landwirtschaft in Tropenwäldern

Die frühesten Nachweise für landwirtschaftliche Aktivitäten in Tropenwäldern wurden in Neuguinea gefunden. Dort haben Menschen Yamswurzeln, Taro-Knollen und Bananen bereits seit dem frühen bis mittleren Holozän vor etwa 10.000 Jahren angebaut. Durch die Domestizierung von Waldpflanzen wie Süßkartoffeln, Chili-Pfeffer, schwarzen Pfeffer, Mangos und Bananen, sowie Waldhühner und andere Waldtiere, wurden die Lebensräume der Wälder nachhaltig verändert und Essgewohnheiten bis in die heutige Zeit hinein beeinflusst.

Solange die Tropenwälder auf der Grundlage heimischer Pflanzen- und Tierarten bewirtschaftet wurden, führte dies im Allgemeinen nicht zu signifikanten oder dauerhaften Umweltschäden. Zu umweltschädigenden Effekten kam es erst, als die landwirtschaftliche Nutzung intensiver wurde und insbesondere externe landwirtschaftliche Arbeitsweisen in die Tropenwälder und Inseln einzogen. Als Bauern etwa vor rund 2.400 Jahren Perlhirse und Vieh in die Tropenwaldregionen West- und Zentralafrikas einführten, kam es infolge von Brandrodungen zu erheblichen Bodenerosionen. Ähnliche Entwicklungen fanden vor etwa 4.000 Jahren auch in Südostasien statt.

Dschungelstädte, die versorgt werden wollen

Herrschte bisher die Vorstellung, Tropenwälder seien "grüne Wüsten", die sich nicht als menschlicher Lebensraum eigneten, haben aktuelle Forschungen nun gegenteilige Erkenntnisse gebracht: So ist es Menschen schon sehr früh gelungen, dort riesige Siedlungen zu schaffen. Neue Daten, die unter anderem aus Kartierungen mit Hilfe von Lichtlaufzeitmessungen stammen, weisen auf menschliche Ansiedlungen in Amerika und Südostasien hin, die man zuvor nicht für möglich hielt. "Tatsächlich haben umfassende und vernetzte Siedlungen in den Tropenwäldern von Amazonien, Südostasien und Mittelamerika wohl um ein Vielfaches länger bestanden als bislang die industriellen und städtischen Ansiedlungen der modernen Welt", erläutert Patrick Roberts vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, Hauptautor der im Fachjournal "Nature Plants" veröffentlichten Studie.

Riesige städtische Ballungsräume standen schon damals und stehen heute wieder vor der Frage, wie die große Bevölkerung ernährt werden kann, also wie ein Agrarsystem geschaffen werden kann, ohne dass der Boden erodiert. Aus dem Umgang der alten urbanen Zentren mit diesen Herausforderungen lassen sich durchaus Lehren für die Gegenwart ziehen. In einigen Regionen der Maya haben städtische Siedler den Wald "gärtnerisch" bewirtschaftet, indem sie eine Vielzahl ergänzender Feldfrüchte in und rund um bestehende Waldflächen anpflanzten, statt diese zu roden. Andere Gruppen dagegen haben ihre lokale Umwelt durch Waldrodung und Monokulturpflanzen wie Mais übermäßig belastet, was in Kombination mit Klimaveränderungen zu dramatischen Bevölkerungsrückgängen führte.

Modelle für nachhaltige moderne Städte

Interessant ist auch die Entdeckung, dass alte Waldstädte dieselbe Zersiedlungstendenz aufwiesen, wie man sie von modernen Städten kennt. In einigen Fällen scheinen solche ausufernden städtischen Randgebiete als eine Art Pufferzone gedient zu haben, um die städtischen Zentren vor Klimaveränderungen zu schützen und eine sichere Versorgung mit bzw. den Zugang zu Nahrungsmitteln zu gewährleisten. "Eine breite Vielfalt, Dezentralisierung und landwirtschaftliche Aktivitäten innerhalb der Stadt haben wohl dazu beigetragen, dass die Städte insgesamt widerstandsfähig waren", erläutert Damian Evans von der École française d’Extrême-Orient die Erkenntnisse. Diese alten Waldvorstädte werden jetzt als mögliche Nachhaltigkeitsmodelle für moderne Städte untersucht. (red, 12.8.2017)