Grafik: DER STANDARD

Sanaa/Genf/Wien – Aus europäischer Perspektive betrachtet geht es in Sachen Flüchtlinge derzeit vorwiegend darum, wie die massiven Bewegungen von Libyen aus über das Mittelmeer nach Italien gestoppt werden können. Dabei spielen sich auch etwa 4000 Kilometer südwestlich Dramen mit zahlreichen Todesopfern ab.

Am Donnerstag, berichtete die Internationale Organisation für Migration (IOM), zwangen Schlepper rund 180 junge Flüchtlinge, im Golf von Aden ins Wasser zu springen. Fünf Leichen wurden gefunden, 50 Menschen galten als vermisst. Vermutlich ertrunken, heißt es. Einen Tag zuvor spielte sich Ähnliches ab im Gewässer zwischen Somalia und dem Jemen. Dabei wurden 120 Menschen von Bord geworfen. 29 Leichen wurden wenig später am Strand entdeckt. Die Überlebenden hätten sie hastig im Sand begraben, so IOM. Für 22 Vermisste besteht kaum noch Hoffnung.

IOM befürchtet neuen Trend

"Die Überlebenden sagten uns, sie wurden von den Schleppern ins Wasser geschmissen, weil sich ein Schiff, vermutlich von der Küstenwache, genähert hat", erklärte Laurent de Boeck, Leiter des IOM-Büros im Jemen. Auch erzählten sie, dass die Schlepper zurückfahren und weitere Flüchtlinge an Bord nehmen wollten. IOM befürchtet nun einen neuen Trend, wonach Schlepper ihre Passagiere loswerden, wenn es gefährlich für sie werden könnte.

IOM schätzt, dass heuer bereits etwa 55.000 Flüchtlinge den Seeweg vom Horn von Afrika in den Jemen auf sich genommen haben. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) geht von weit über 200.000 Ankünften seit Anfang 2015 aus. Vorwiegend sind es Menschen aus Äthiopien und Somalia, die aufgrund der andauernden Dürre in ihrem Land keine Zukunft mehr sehen und trotz des Krieges im Jemen Schlepper dafür bezahlen, dorthin gebracht zu werden. Ihre Hoffnung: es lebend durch den Jemen und schließlich in die Golfstaaten zu schaffen, um dort Arbeit zu finden.

Von einem Krieg in den anderen

Doch auch in die andere Richtung gibt es größere Fluchtbewegungen. Seit Anfang 2015 kämpfen im Jemen die Houthi-Rebellen gegen die Truppen von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi, die von einer von Saudi-Arabien angeführten Militärkoalition unterstützt werden. Und seitdem sind laut UNHCR etwa 100.000 Jemeniten ins Horn von Afrika geflüchtet. Das erste Ankunftsland ist oft Somalia, wo ebenfalls ein bewaffneter Konflikt herrscht. Dort kämpft die Terrormiliz Al-Shabaab gegen die von Truppen der Afrikanischen Union (AU) unterstützten Regierungseinheiten.

Laut dem in Kenia ansässigen Regional Mixed Migration Secretariat (RMMS) ist die Zahl der Ankünfte im Jemen im Vergleich zu 2016 gesunken. Als mögliche Gründe werden angeführt, dass es durch den andauernden Krieg immer schwieriger werde, Flüchtlinge zu registrieren – und somit die tatsächliche Zahl weit höher sei. Es könnte aber auch sein, dass durch die Dürre die Ressourcen mittlerweile so gering sind, dass es nicht mehr für die Flucht in den Jemen reicht. Umgekehrt sind die Zahlen laut RMMS relativ stabil. (Kim Son Hoang, 11.8.2017)