Saxofonist und Komponist Gerald Preinfalk (Jahrgang 1971), der in Saalfelden mit großem Ensemble antritt: "Bandleader zu sein ist sehr ambivalent. Es beeinflusst jeden gespielten Ton."


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Wien – Es ist Gerald Preinfalk Vertreter einer raren Spezies von flexiblen Musikern: Aus dem Jazz kommend, ist er fixes Mitglied des Klangforums Wien geworden. Der Mann aus Zulissen (bei Freistadt in Oberösterreich) ist also Teil zweier Welten, die zu einen, spezielle instrumentale und mentale Fähigkeiten erfordert. Komplexe Partituren der Moderne müssen ebenso verstanden und interpretiert werden, wie auch improvisatorische Freiräume mit Sinn und Intensität aufzuladen sind. Preinfalk vermag beides vorzüglich. Und so wundert es nicht, dass er nun das Jazzfest Saalfelden mit dem speziellen Projekt "Prine-Zone" (auf der Hauptbühne) eröffnet.

"Der Projekttitel bezieht sich auf zwei Gedanken: Durch die jahrelange Beschäftigung zwischen Jazzclub und Konzerthaus bin ich für die Klangforum-Mitglieder der 'Jazzer' und für die Jazzkollegen der 'Klassiker' geworden. Was bleibt also anderes übrig, als sich eine eigene ,Zone' zu schaffen", so der Saxofonist.

In jungen Jahren wäre es problematisch gewesen, "nicht irgendwo dazuzugehören. Mittlerweile empfinde ich es als Segen, eben nicht irgendwo dazuzugehören." Preinfalk nennt auch den zweiten Grund für den Projektnamen: "Da geht es um die Namensparallele zu Jimmy Giuffre. Der Klarinettist hatte auch ein Projekt namens Giuffre-Zone. Ohne ihn jemals persönlich gekannt zu haben, bilde ich mir ein, durch das Kennenlernen seiner Musik und seines Spiels Parallelen zu meinem Sein gefunden zu haben."

Wird die Arbeit eines vielseitigen Musikers wie Preinfalk von der Jazzseite her betrachtet, stellt sich die Frage nach einem eigenen Stil, der ja so etwas wie die Visitenkarte darstellen kann. "Stil bedeutet für mich: erkennbar 'abgestecktes Vokabular'. Ein eigener Stil ist wahrscheinlich das Buch der individuell besten Klänge – zusammengetragen über viele Jahre. Als Musiker einen eigenen Stil zu besitzen war zumindest für die Jazzwelt immer das oberste Ziel."

Reiz der Mischung

Seit Miles Davis und John Coltrane "sind wir Kinder dieses Genres verdammt, ebenfalls so etwas finden zu müssen – sonst gilt man nichts. In unseren Breitengraden haben dies vereinzelte Musiker geschafft. Man denke nur an meinen verehrten Lehrer Wolfgang Puschnig oder Wolfgang Muthspiel, um aus meiner kleinen Welt zu sprechen."

Preinfalk hofft allerdings, dass "der Jazz dem entwachsen ist oder es zumindest versucht. Meiner Wahrnehmung nach gilt heute vielmehr das Zusammenführen verschiedener 'Stile' als Inspirationsquelle, um 'Neues' zu schaffen. Und: Die Improvisation lebt!!" Und das soll sie in diesem Nonett. "Die Idee war, von kurzen komponierten 'Inseln' auszugehen, denen man sich improvisatorisch annähert. Bei neun Kollegen wird das schwieriger, zumal ich bewusst Musiker konträrer Genres wählte. Also habe ich einen durchorganisierten Fahrplan geschaffen – die Improvisation macht noch zwei Drittel aus, ein Drittel ist aber ausnotiert."

Es stellt sich grundsätzlich bei Preinfalk die Frage, wie er sich so qualitätsvoll zwischen der klassischen und der Jazzwelt bewegen kann. "Beim Klangforum habe ich den kleinsten Vertrag, also viel Zeit für anderes. Da in den letzten Jahren auch die ,halbe Professur' in Graz dazugekommen ist, hat sich die Gewichtung natürlich verschoben. Jazz- oder vielmehr Improvisationsprojekte sind zu Raritäten geworden, eigentlich zu Perlen meiner Beschäftigung. Ich kann mich somit eigentlich viel intensiver als früher mit Improvisation auseinandersetzen, nicht zuletzt, da ich eben nicht mehr existenziell davon abhängig bin."

Überhaupt sei es so: "Mir ist irre schnell langweilig – in musikalischen Situationen wie in Lebenssituationen. Kontraste sind für mich ungeheuer wichtig." Insofern ist das Changieren zwischen den Musikwelten logisch – für einen Musiker, der auch beim Vienna Art Orchestra dabei war und nun eben Ensembleleiter ist.

"Bandleader zu sein ist eigentlich sehr ambivalent. Es beeinflusst quasi jeden gespielten Ton, ist aber deshalb auch so interessant. Dinge geschehen zu lassen, Entscheidungen zu treffen und das Beste aus den Mitmusikern rauszuholen und sich dabei doch gleichzeitig wohlzufühlen – das ist ein sehr herausfordernder Balanceakt. Zu dem steht vielleicht im Gegensatz, dass ich an die Demokratie in der Musik nicht glaube." Ist aber egal, solange es Musiksubstanz erbringt. (Ljubisa Tosic, 10.8.2017)