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Weniger Kapitalflucht: Chinas Wirtschaft und sein Devisenschatz wachsen wieder.

Foto: EPA/Mark

Pekings Zentralbank sah tatenlos zu, wie bis Anfang 2017 Chinas Devisenreserven, die im Jänner 2016 noch 3,2 Billionen Dollar wert waren, abschmolzen, weil sie ihre Währung Renminbi durch Dollarverkäufe stützen musste. Im Jänner 2017 fiel die Höhe des Staatsschatzes erstmals seit sechs Jahren dann unter die Drei-Billionen-Dollar-Grenze. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt rutschte unter eine selbst gesetzte psychologische Hürde, die Chinas Zentralbanker alarmierte.

Wenig später kam die Wende. Die Devisenvorräte nahmen zu, standen im Juli nach sechs Monaten Anstieg bei 3,08 Billionen Dollar. Auch Chinas Wirtschaftswachstum lag mit einem Plus von 6,9 Prozent im ersten Halbjahr über den Markterwartungen. Das galt auch für die Ergebnisse im Außenhandel, der zweistellig mit 18,5 Prozent wuchs und trotz der stärker als Chinas Exporte gestiegenen Importe weiter Handelsbilanzüberschüsse erwirtschaftete.

Erstarkter Renminbi

Chinas Wirtschaftspresse führte den Anstieg der Devisenreserven auf den erstarkten Renminbi zurück. Eine Nebenrolle spielten die angezogenen Kapitalverkehrskontrollen und neue Maßnahmen zum Stopp "irrationaler" chinesischer Auslandsinvestitionen. Diese Schritte hätten geholfen, die "Kapitalflucht" zu bremsen, berichtete China Daily.

Ausschlaggebend für den Erfolg ist aber die Schwäche des US-Dollar. Der von der Notenbank festgelegte Wechselkurs des Renminbi zum Dollar stieg von Jänner bis Juli 2017 um mehr als 3,1 Prozent. 2016 war er noch um 6,5 Prozent gefallen. Die Devisenaufsichtsbehörde (Safe) erklärte, dass Chinas Währung sich im "besten Gleichgewicht seit drei Jahren befindet". Hauptgrund für die Zunahme der Devisenvorräte sei der Wertanstieg bei Auslandswährungen vom Euro bis zum Franken. Die "Nichtdollar-Währungen" machten ein Drittel der Devisen in Pekings Währungskorb aus. Im Umkehrschluss heißt das: Stabilisiert sich der Dollar, geraten Chinas Devisenvorräte erneut unter Druck.

Safe lässt daher ihre Kontrollen weiter anziehen. Vom 1. September an soll gar der individuelle Verbrauch von Devisen überwacht werden. So sollen der Behörde alle Geldtransaktionen über 1000 Yuan (130 Euro) gemeldet werden, etwa wenn chinesische Staatsbürger sie mit Kreditkarten vom Geldautomaten im Ausland beheben oder beim Einkaufen ausgeben.

Kapitalverkehrskontrollen verschärft

Doch mit solchen Maßnahmen lasse sich der Kapitalabfluss nur eindämmen, warnte jüngst die Pekinger Wochenzeitschrift Economic Observer. Peking verschärft daher die Kapitalverkehrskontrollen. Safe stoppte etwa 43 chinesische Banken und Finanzgesellschaften im ersten Halbjahr, die illegale Währungsgeschäfte betrieben. "Der Druck auf Chinas Währung hält weiter an", schreibt die Zeitschrift. Nur fundamentale Wirtschafts- und Finanzreformen könnten das ändern, heißt es in der einflussreichen finanzpolitischen Zeitschrift Caixin.

Seit Mitte 2014 ist Chinas Problem mit der Kapitalflucht virulent. Seit Ende 2016 errichtet Peking Dämme gegen den Wildwuchs, erschwerte die Kreditvergabe durch die Staatsbanken für Auslandsprojekte. Im Halbjahr 2017 ging deren Zahl stark zurück, meldete das Handelsministerium. Mit 48,2 Mrd. Dollar investierten Staatsunternehmen und private Konzerne um fast die Hälfte weniger Geld im Ausland als 2016.

Neue Regeln

Peking will vor seinem großen Wahlparteitag im Spätherbst für ein Umfeld finanzpolitischer Stabilität mit einer wieder erstarkten Währung sorgen. Anfang August erließ das Finanzministerium neue Regeln, um die Auslandsinvestitionen besonders von Staatsunternehmen besser zu kontrollieren. Für jedes neue Projekt muss zuerst eine allumfassende Risikoabwägung vorgenommen werden. Verantwortliche haften für die von ihnen verschuldeten Verluste.

Seit 2015 hatten chinesische Staatsbetriebe und private Unternehmer für weltweite Schlagzeilen gesorgt, als sie US-Filmstudios, Kinoketten, Tourismusprojekte oder europäische Fußballklubs kauften. Allein 2016 investierten sie mehr als 170 Milliarden US-Dollar in 7961 Auslandsprojekte in 164 Ländern. 44 Prozent mehr als 2015. Davon flossen mehr als zehn Milliarden Dollar nach Deutschland, in auffallend viele strategische Übernahmen zur Modernisierung der chinesischen Industrie, wie den Kauf des Roboterhersteller Kuka. (Johnny Erling aus Peking, 11.8.2017)