Zürich – Wie entstehen Halluzinationen? Ein Forscherteam mit Zürcher Beteiligung hat nun einen weiteren Puzzlestein zur Erklärung dieses Phänomens hinzugefügt: Wer halluziniert, neigt demnach dazu, Zusammenhänge überzubewerten.

Halluzinationen lassen sich einfach künstlich hervorrufen: Völlig gesunde Testpersonen können trainieren, einen visuellen Reiz mit einem Ton in Verbindung zu bringen. Anschließend glauben sie den Ton auch dann zu hören, wenn sie nur den visuellen Stimulus sehen. Ähnlich wie bei Pavlovs berühmtem Experiment, bei dem einem Hund schon das Wasser im Mund zusammenlief, wenn er eine Glocke hörte, weil er diese mit Futter zu assoziieren gelernt hatte.

"Stimmenhörer" lassen sich leichter beeinflussen

Forscher der US-Universität Yale und der Universität und ETH Zürich haben sich diese Möglichkeit der Konditionierung zunutze gemacht, um dem Phänomen halluzinierter Stimmen auf den Grund zu gehen. Dabei verglichen sie vier Gruppen von Probanden: gesunde und psychisch erkrankte "Stimmenhörer", sowie gesunde und psychisch kranke "Nicht-Stimmenhörer". Wie die Wissenschafter im Fachblatt "Science" berichten, lassen sich Stimmenhörer stärker von vorgefassten Erwartungen beeinflussen. Und zwar unabhängig davon, ob sie an einer Psychose leiden oder nicht.

Die Probanden trainierten zunächst, ein Schachbrettmuster mit einem Ton wechselnder Lautstärke zu assoziieren. Anschließend spielten die Forschenden den Ton in Zusammenhang mit dem Schachbrettmuster teils über, teils unter der gerade noch für die Testperson hörbaren Lautstärke ab, teilweise auch gar nicht. Die Probanden sollten angeben, ob sie den Ton hörten und wie sicher sie sich dabei waren.

Zwar glaubten alle der insgesamt 59 Testpersonen mitunter, den Ton zu hören, auch wenn das nicht möglich oder er gar nicht da war. Dabei wurden auch entsprechende Hirnregionen aktiviert. Jedoch lagen die Stimmenhörer sowohl bei der Häufigkeit des Ton-Halluzinierens als auch bei ihrem Überzeugungsgrad deutlich vor den anderen beiden Gruppen. Und das umso mehr, je stärker ihr Stimmenhören außerhalb des Labors ausgeprägt war, wie die Wissenschafter schreiben. Eine Computeranalyse ihres Verhaltens ergab zudem, dass die Stimmenhörer stärker von dem Zusammenhang zwischen Schachbrettmuster und Ton überzeugt waren und diese Überzeugung ihr Halluzinieren des Tons befeuerte.

Psychose-Patienten sind unflexibler

Aber auch die Gruppen mit und ohne Psychose zeigten einen Unterschied, egal ob sie im Alltag Stimmen halluzinierten oder nicht: Es fiel ihnen schwerer, ihre Überzeugung einer neuen Situation anzupassen. Gegen Ende des Versuchs spielten die Forscher den Ton nämlich deutlich seltener in Zusammenhang mit dem Schachbrettmuster ab. Den psychisch gesunden Stimmenhörern und Nicht-Stimmenhörern fiel es daraufhin leichter, diese Änderung zu integrieren.

Zusammengefasst zeigt die Studie also, worin sich Personen mit und ohne Halluzinationen, sowie Stimmenhörer mit und ohne Bedarf an psychiatrischer Hilfe unterscheiden. Die Ergebnisse untermauerten zudem, wie stark "Top-Down-Prozesse" im Gehirn – wie zum Beispiel die Überzeugung von erlernten Zusammenhängen – unsere Wahrnehmung beeinflussen, schrieben die Forscher. In manchen Fällen auch pathologisch. (APA, 15.8.2017)