Wien – Der Erscheinungszeitpunkt der Studie im renommierten Fachblatt "Science" hätte – zumindest für unsere Breiten – nicht besser gewählt werden können. Nur wenige Tage nach den folgenschweren Überschwemmungen und Vermurungen in mehreren Regionen des Landes belegt eine internationale Untersuchung, die von einem Österreicher geleitet wurde, erstmals einen klaren Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und Hochwassern in Europa.

Dass dieser Einfluss der Erderwärmung auf Überflutungen bislang nicht eindeutig bewiesen werden konnte, liegt nicht zuletzt an der Komplexität des Problems. Zwar wird dem Klimawandel gern dafür die Schuld gegeben, wenn das Wetter verrückt spielt und ein Fluss mit ungewohnter Heftigkeit über die Ufer tritt. Auch wenn sich solche Extremwetterereignisse zu häufen scheinen, finden sie quasi ständig irgendwo statt.

Zusätzliche Einflussfaktoren

Eine besondere Herausforderung bei der Analyse von Hochwassern und Vermurungen liegt darin, dass deren Intensität nicht nur vom Klimawandel abhängt, wie Studienleiter Günter Blöschl (Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie der TU Wien) erklärt: "Die Landnutzung, etwa Versiegelung von Flächen oder intensive Landwirtschaft, oder auch der Rückgang wasserspeichernder Auwälder – all das hat einen sehr starken Einfluss auf Hochwasserereignisse."

Die Intensität von Hochwasserereignissen (wie hier im Paznauntal) hängt nicht nur vom Klimawandel ab, sondern noch von vielen anderen Faktoren.
Foto: TU Wien/ASI/Land Tirol/BH Landeck

Blöschl und seine insgesamt 45 Koautoren haben für ihre Untersuchung, die vom European Science Council (ERC) unterstützt wurde, Datensätze zwischen 1960 und 2010 von über 4.000 Stationen aus 38 europäischen Ländern ausgewertet. Ihr Ergebnis ist eindeutig: Der Klimawandel hat einen deutlichen Einfluss auf Hochwasserereignisse – aber anders, als man vielleicht vermuten würde.

Starke zeitliche Verschiebungen

Dieser Zusammenhang lässt sich nämlich nicht in erster Linie an der Häufigkeit und der Größe der Hochwasserereignisse festmachen, sondern am besten daran, dass sich das Auftreten der Hochwasser aufgrund des Klimawandels über die Jahre zeitlich dramatisch verschoben hat – und zwar differenziert nach Regionen.

In Österreich etwa sind Hochwasserereignisse traditionell im Sommer häufig, in England und im Mittelmeerraum hingegen treten sie eher im Winter auf, weil dann die Verdunstung gering ist und die Niederschläge intensiv sind. In Nordosteuropa wiederum ist zur Zeit der Schneeschmelze im Frühling die Hochwassergefahr am größten.

Das durchschnittliche Auftreten von Überflutungen in Europa im Lauf des Jahres: Winterhochwasserereignisse sind durch blaue Pfeile nach oben markiert, Sommerhochwasserereignisse durch rote Pfeile nach unten.
Grafik: TU Wien

Erhebliche regionale Differenzen

Für die letzten 50 Jahre zeigte sich etwa in Skandinavien und im Baltikum, dass Hochwasserereignisse dort heute um einen Monat früher auftreten als in den 60er- und 70er-Jahren, berichten die Forscher in "Science". Das liege daran, dass sich im Norden die Zeiten mit viel Schneefall verkürzt haben und die Schneeschmelze aufgrund der Klimaerwärmung früher einsetzt.

Ganz anders ist die Lage in England und Norddeutschland, wo Überflutungen im Schnitt um rund zwei Wochen später auftreten. Je nach europäischer Region sind zwar klare, aber eben unterschiedliche Trends zu beobachten, sagt Blöschl, der resümierend ergänzt: "Wir können Zusammenhänge nachweisen, über die man bisher nur spekulieren konnte."

So haben sich seit 1960 die jeweiligen Zeitpunkte für Überflutungen in Europa zeitlich verändert: Rot zeigt frühere Zeitpunkte an, blau spätere.
GRafik: Blöchl et al., Science (2017)

Veränderungen in Österreich

Das gelte im Übrigen auch für die Alpenregion, wo sich die Zeitpunkte der Überschwemmungen im Sommer vergleichsweise wenig stark verschoben haben. Blöschl hat mit seinem Team der TU Wien gerade auch eine Studie für das Lebensministerium abgeschlossen, die anders als die "Science"-Studie vor allem auf Österreich abstellt, wie er im Gespräch mit dem STANDARD erklärt.

"In Österreich haben vor allem die Häufigkeit und die Intensität der Hochwasserereignisse nördlich des Alpenhauptkamms in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen", so der Forscher, der immerhin auch einen positiven Ausblick hat: Seit dem sogenannten "Jahrhunderthochwasser" 2002 und den danach erfolgten Vorsorgemaßnahmen sei man hierzulande auf weitere Überflutungen im internationalen Vergleich sehr gut gut vorbereitet, was sich bereits beim "Jahrhunderthochwasser" 2013 gezeigt habe. (tasch, 10.8.2017)