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Bei Google gehen die Wellen derzeit hoch.

Foto: Marcio Jose Sanchez / AP

Im Vergleich zu vielen anderen Techunternehmen pflegt Google eine relativ offene Diskussionskultur. So gibt es nicht nur mehrere interne Diskussionplattformen, die Gründer und Chefs stellen sich auch regelmäßig bei sogenannten "Town Hall Meetings" den – zum Teil recht offenen – Fragen ihrer Angestellten. Mit besonderer Spannung war die aktuellste Runde dieser Diskussionsrunden erwartet worden, erfolgte sie doch vor dem Hintergrund eines von einem Mitarbeiter im gesamten Unternehmen zirkulierten, sexistischen Textes, der schlussendlich zu dessen Entlassung führte. Doch dazu kommt es zumindest vorerst nicht: Google hat das Treffen abgesagt, da man um die Sicherheit seiner Angestellten fürchte, wie es heißt.

Leak

Zuvor waren zahlreiche der über ein internes System namens "Dory" eingereichten Fragen nach außen durchgesickert. Über dieses System könnten die Google-Mitarbeiter abstimmen, welche Fragen ihren Chefs schlussendlich gestellt werden sollen. Von Aktivisten der rechtsextremen Alt-Right-Bewegung wurden zudem Namen, Fotos und biografische Details einzelner Google-Angestellter in Umlauf gebracht, die sich gegen das sexistische Manifest zu Wort gemeldet haben.

In Berufung auf interne Quellen bei Google spricht Recode denn auch davon, dass es bereits konkrete "Doxxing"-Attacken gegen einzelne Angestellte gegeben hätte. Dabei handelt es sich um eine gezielte Form von Online-Harassment, bei der private Informationen einer Personen – etwa Adressen, Telefonnummern und sensible Details – mit bösartiger Absicht online gestellt werden, um damit der Belästigung durch Dritte eine Basis zu schaffen. Unter solchen Rahmenbedingungen, in denen Mitarbeiter für ihre Meinung um ihre Sicherheit fürchten müssten, sei eine offene Diskussion nicht mehr möglich, argumentiert Google-Chef Sundar Pichai in einem internen Schreiben die Absage.

Opferrolle

Der Autor des betreffenden Textes, James Damore, sieht sich hingegen als Opfer einer Schmutzkübelkampagne von Google-Topmanagern, immerhin wollte er ja nur eine Diskussion anregen. Dass er sein erstes Interview nach dem Rauswurf ausgerechnet dem Alt-Right-Youtuber Stefan Molyneux gegeben hat, soll seine Position innerhalb von Google aber weiter an den Rand gedrängt haben.

In seinem Text hatte sich Damore nach einer Reihe von einleitenden Beschwichtigungen recht klassischer frauenfeindlicher Muster bedient. So sprach er darin etwa von angeblichen biologischen Unterschieden, die daran Schuld sein sollen, dass Frauen schlechtere Softwareentwickler und somit in der Techbranche weniger stark vertreten sein sollen. Auch seien Frauen aufgrund einer – von ihm behaupteten – schlechteren Toleranz gegenüber Stress und einem Hang zum Neurotizismus weniger gut für leitende Jobs geeignet.

Vorgeschichte

Die Diskussion über das zehnseitige Manifest war innerhalb kürzester Zeit in die Öffentlichkeit geschwappt. Viele Google-Angestellte betonten dabei, dass es absolut untragbar sei, dass einer ihrer Kollegen die Behauptung aufstellt, dass sie aufgrund ihres Geschlechts weniger für ihren Job geeignet seien. Dieser Meinung schloss sich schlussendlich auch Firmenchef Pichai an, der hierin einen Verstoß gegen Googles Code of Conduct sah, der jegliche Diskriminierung aufgrund von Herkunft oder Geschlecht explizit verbietet, und den Entwickler feuerte.

Angesichts der aktuellen Entwicklung scheint es unwahrscheinlich, dass sich die Wogen bald wieder glätten werden. Insofern könnte das Ganze auch zu einer Bewährungsprobe für Google-Chef Sundar Pichai werden. Wie heikel die aktuelle Situation ist, dürfte diesem jedenfalls durchaus bewusst sein, hat er doch umgehend seinen Familienurlaub abgebrochen, um sich der Debatte zu stellen.

Unterdessen betont ein Unternehmenssprecher von Google, dass man die Diskussion zu einem späteren Zeitpunkt nachholen wolle, dafür aber einen "besseren Weg finden" wolle. (red, 11.8.2017)