Was war da los bei dem Terroranschlag auf das Wiener Riesenrad vor zwei Jahren? Das fragen sich alle im Stück von Mario Wurmitzer.

Foto: Christian Mair

Reichenau an der Rax – Fällt in Mario Wurmitzers Riesenrad-Stück Werbung Liebe Zuckerwatte ein Schuss, dann kriegen Marie und Franz nachher zweierlei – einmal ein kuscheliges Stoffkrokodil, ein andermal Terrorpanik. Mit solchen rabiaten Bedeutungsverschiebungen verfährt der junge österreichische Dramatiker Wurmitzer in seinem nun beim Thalhof-Festival in Reichenau uraufgeführten Text (Regie: Anna Maria Krassnigg). Er ist bereits 2010 als Prosaautor mit dem Jugendbuch Sechzehn hervorgetreten.

Franz und Marie sind, obwohl nach Büchners Woyzeck benannt, Gestalten aus der Welt Ödön von Horváths. Wie Kasimir und Karoline verbringen sie in fragilen Zeiten einen Abend ihrer Eheanbahnungsphase auf dem Rummelplatz. Doch nichts dort wird vergnüglich sein, es gibt Terroralarm, ihr Blick auf die Welt wird sich verrücken.

Werbung Liebe Zuckerwatte ist ein nach zwei Jahren als Rückblende auf den terrorisierten Riesenradabend arrangiertes und kommentiertes Drama, in dem Franz (Daniel F. Kamen) und Marie (Gioia Osthoff) mit zwei ebenfalls Involvierten – dem Parteivorsitzenden (Martin Schwanda) und der Polizistin (Maxi Blaha) – die auf Film gebannten Ereignisse rekapitulieren.

Mit dem Rücken zum Publikum

Dafür sitzen sie auf Barhockern und schwenken lustig zwischen Filmprojektion und Publikum hin und her. Wobei sie dem Publikum den Rücken allzu oft zuwenden. Das ist nicht der einzige Fehler der Regie, die den Schauspielern das Zuschauen anempfiehlt (fehlende Körperspannung) und so einen erratischen Abend nach sich zieht, der in einer Rotation des Immergleichen versinkt. Allzu bürokratisch hat sich Anna Maria Krassnigg den verschiedenen Realitätsebenen des Textes angenommen.

Dieser ist zwar strapaziös konstruiert (auf einer weiteren Ebene sitzt der Autor als allmächtiger Figurenlenker am Fuß des Riesenrades am Laptop), bietet aber eine interessante Konstellation an. Der Terrorakt beim Riesenrad, so lässt der kunstvoll schwingende Märchenton von Anfang an erwarten, war nicht echt, sondern wird sich als schiefgegangene PR-Aktion eines Politikers herausstellen, der sich selbst als heldenhafter Retter ins Spiel bringen wollte.

Mario Wurmitzer schreibt akkurate Dialoge, deren Spuren, kaum gesprochen, schon wieder verwischt sind, die aber in ihrer Unverschämtheit und Ungeschöntheit vital und zeitgenössisch sind. Nichts ist überkandidelt, aber auch nichts zu wenig.

Man möchte den im Gefüge von eigenen Lügen und gesellschaftlicher Unsicherheiten verstrickten Figuren gern zuhören, ihren zuweilen rätselhaften Manövern auf die Schliche kommen. Als Opfer einer unberechenbaren Staatsgewalt schmeißen sich Marie und vor allem Franz schließlich doch an diese ran. Ist eine Partei immer besser als gar keine Partei? (Margarete Affenzeller, 11.8.2017)