Die Touristiker in der Schweiz hängen die Fahne wieder höher, im ersten Halbjahr 2017 kletterten die Übernachtungszahlen deutlich.

Studio Babylon

Die Schweizer Fremdenverkehrsbranche jubelt: Die Touristen kommen wieder vermehrt in das Land. Vor allem die Städte liegen im Trend: Im ersten Halbjahr verzeichneten sie erstmals mehr als fünf Millionen Übernachtungen.

In den vergangenen Jahren waren die Gästezahlen zurückgegangen, weil Urlaube in der Schweiz wegen des hohen Frankenkurses teurer wurden. Auch die Angst vor Terroranschlägen hatte viele Asiaten von Reisen nach Westeuropa abgehalten.

Nun aber kehren die Gäste zurück: Nach Angaben des Schweizer Bundesamts für Statistik hat die Zahl der Hotelübernachtungen im ersten Halbjahr 2017 deutlich zugenommen, um mehr als vier Prozent auf 17,6 Millionen. Letztmals wurden 2008 ähnlich viele Übernachtungen gezählt. Das ist vor allem dem Städtetourismus zu verdanken, der in der Schweiz seit Jahren stärker wächst als der klassische Fremdenverkehr in den Alpen, wo die Zahlen in den vergangenen Jahren stagnierten oder gar zurückgingen.

Wo der Tourismus boomt

"Städtetourismus boomt seit längerem, davon profitiert auch Bern", sagt Michael P. Keller von Bern Tourismus zum STANDARD. In den Berner Hotels übernachteten in den ersten sechs Monaten fast fünf Prozent mehr Gäste als im Vorjahr; die sechs größten Schweizer Städte Zürich, Genf, Lausanne, Luzern, Basel und Bern verzeichneten mit 5,1 Millionen Übernachtungen ein Plus von vier Prozent.

Trotz des Booms ist man in den Schweizer Städten noch weit entfernt von Zuständen wie in Barcelona oder Venedig, wo sich die Einheimischen gegen die Touristenmassen und deren negative Auswirkungen auf das städtische Leben zu wehren beginnen.

In Zürich, Genf oder Bern sieht man zwar in den Sommermonaten ebenfalls Touristengruppen mit Selfie-Sticks vor den einschlägigen Attraktionen, doch fallen diese viel weniger ins Gewicht als anderswo.

Qualitativer Tourismus

Man versuche gezielt auf qualitativen Tourismus zu setzen, betont denn auch der Berner Tourismuspromoter Keller: "Das bestens erhaltene und mit dem Unesco-Weltkulturerbelabel ausgezeichnete mittelalterliche Stadtbild entspricht der Nachfrage nach dem authentischen Erlebnis."

Kulturelle Leuchttürme wie etwa das von Renzo Piano erbaute Zentrum Paul Klee oder das Kunstmuseum mit seiner Sammlung Gurlitt würden ein kunstinteressiertes Publikum anziehen; und auch große Sportevents wie die letztjährigen Tour-de-France-Etappen seien wichtig für die touristische Werbewirkung der Stadt Bern. Dies, obwohl der Kongress- und Geschäftstourismus mit einem Anteil von 60 Prozent der Gäste wichtig sei und bleibe.

Probleme in den Alpen

Doch auch im Berggebiet atmet man auf: Der Abwärtstrend der letzten Jahre scheint gestoppt. Einzelne Regionen wie etwa das Wallis mit seinen Topdestinationen Zermatt, Saas-Fee und Verbier steigerten die Übernachtungen gar deutlich.

Die Zahlen stimmen die Touristiker zuversichtlich. Sie zeigten, dass Destinationen, die konsequent an ihrer Angebotsgestaltung arbeiten, trotz des starken Frankens auch im Sommer belohnt würden. Als jüngstes Beispiel dafür gilt die kürzlich eröffnete, weltweit längste Hängebrücke am Wanderweg von Grächen nach Zermatt.

Doch gerade dieses Beispiel zeigt auch die Problematik des Sommertourismus in den Alpen: Die neue Brücke wurde nötig, weil der bisherige Wanderweg immer wieder von Steinschlag und Murgängen bedroht war. Diese Bedrohungen nehmen in den Alpen zu, weil wegen des Klimawandels der stabilisierende Permafrost schmilzt. Sollten sich auch die Gletscher weiter zurückziehen und die Schneefallgrenze immer höher steigen, dann droht auch der Alpentourismus zu leiden. (Klaus Bonanomi aus Bern, 12.8.2017)