Berlin – Im neuen Forschungsprogramm zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit zentraler deutscher Behörden und etwaiger Kontinuitäten nach 1945 wird dem Bundeskanzleramt eine herausgehobene Rolle zuteil: Aufgrund der ressortübergreifenden Relevanz des Amts ist dessen Geschichte ein eigenständiger Programmteil gewidmet, wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) in Berlin mitteilte.

Von insgesamt zehn ausgewählten Forschungsvorhaben werden zwei die Geschichte des Kanzleramts in den Blick nehmen. So sollen sich das Institut für Zeitgeschichte und das Zentrum für Zeithistorische Forschung mit der "Aufarbeitung der Nachkriegsgeschichte des Bundeskanzleramts" befassen. Das zweite Forschungsprojekt ist bei der Universität Siegen angesiedelt und untersucht die Kommunikationspraktiken und Netzwerke des Kanzleramts in den 1950er-Jahren.

"Hohe politische Relevanz"

Grütters hatte das Forschungsprogramm zur Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit der Ministerien und zentraler deutscher Behörden im November 2016 ausgeschrieben. Sie folgte damit den Anregungen einer von ihr in Auftrag gegebenen Studie des Instituts für Zeitgeschichte und des Zentrums für Zeithistorische Forschung.

Die Auswahl der zehn erfolgreichen Projektanträge erfolgte auf der Grundlage des Votums einer siebenköpfigen Expertenkommission aus unabhängigen Wissenschaftern, die Grütters berufen hatte. Neben der Geschichte des Kanzleramts soll unter anderem auch das frühere Bundesministerium für Vertriebene durch Tübinger Wissenschafter unter die Lupe genommen werden, ebenso die "Formierungsphase der Justizbehörden in den Ländern nach 1945 im deutsch-deutschen Vergleich" durch Mainzer Forscher.

"Das Thema NS-Vergangenheit der Bundeseinrichtungen hat hohe politische Relevanz", sagte Grütters. "Mit dem neuen Programm fördern wir erstmals institutionsübergreifende Forschungsarbeiten, die sich nicht am Raster von Behörden, Zuständigkeiten und Geschäftsbereichen orientieren – dadurch eröffnen sich der Forschung völlig neue Zugänge und Perspektiven." Für das Forschungsprogramm stellt die Kulturstaatsministerin von 2017 bis 2020 insgesamt vier Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung. (APA, 14.8.2017)