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Pro
von Christa Minkin

Sagt A zu B: "Was sind das eigentlich für Menschen, die auf Langstreckenflügen ihre Schuhe nicht ausziehen?" B: "Solche wie ich." Kurzes Schweigen. Um den Beziehungsstreit zu vermeiden, wird die Folgefrage in neutralem Tonfall gestellt: "Warum?" B: "Weil jemand mit stinkenden Füßen meinem Beispiel folgen könnte." Also das hätte A wirklich nicht erwartet, die Absurdität des Arguments rettet die Beziehungsharmonie. Denn warum sollte A – wegen irgendwelcher Leute potenziell müffelnder Extremitäten – während nicht enden wollender klaustrophobischer Stunden, umgeben von besorgniserregend trockener Luft, die die Haut auf ihren Lippen aufspringen lässt und das Trinkwasser, mit dem sie diesen Umstand zu mildern versucht, nach ungesunden Chemikalien schmeckt und ihr Magen knurrt, weil sie einem auf Landstreckenflügen einfach nie, niemals genug zu essen geben ... auf den einzigen Lichtblick verzichten, der sich so etwas wie Komfort zumindest annähert: Kopfhörer aufsetzen, Film auswählen, unbeschuhte Füße hochziehen und Beine mit beiden Armen umschlingen.

Kontra

von Ljubiša Tošić

Auf episch ausufernden Flügen rund um den Globus mag die Versuchung übermächtig erscheinen, sein dampfendes Schuhwerk abzulegen. Der Gentleman widersteht jedoch und holt sich innere Disziplin bei der Lektüre von Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge. Im unsterblichen Opus magnum des Benimmaufklärers – Über den Umgang mit Menschen und Schuhen – mahnt er zu würdevoller Leidensfähigkeit: "Kein Anblick ist so widrig für den verständigen Mann, wie der eines Menschen, welcher sich durch starke Getränke um Sinne und Schuhe gebracht hat."

Zum Reisen gehöre, so der Weise, "Geduld, Mut und Vergessenheit aller häuslichen Sorgen. Ebenso unerlässlich ist, sich im Flugzeug keinesfalls jene schuhlose Erleichterung zu verschaffen, die dem Geruchssinn der Umwelt ein Purgatorium der quälenden Düfte bescheren würde." Verzaget nicht! Alles lasse sich "überwinden durch Standhaftigkeit; alles lässt sich vergessen, wenn man seine Aufmerksamkeit auf einen andern Gegenstand heftet." Auf Knigges Ratschlagsschmöker etwa, wie hier empfohlen. (RONDO, 18.8.2017)