Donald Trump präsentiert stolz das Dekret, das seinen Handelsbeauftragten anweist, die Methoden Chinas näher unter die Lupe zu nehmen.

Foto: apa

Wilbur Ross greift tief in die Schublade der Geschichte, um zu rechtfertigen, dass die Vereinigten Staaten die Handelspraktiken Chinas untersuchen. In einem Essay zitiert der Handelsminister den großen Abraham Lincoln, den Präsidenten, der die Spaltung der Republik verhinderte. "Das Patentsystem hat Öl ins Feuer unseres Genies gegossen", hat "Old Abe" einmal gesagt; der Spruch ziert sogar den Eingang des nationalen Patentamts.

Heute aber, schreibt Ross in der "Financial Times", sähen sich sowohl das amerikanische Patentsystem als auch amerikanisches Genie heftigen Attacken ausgesetzt. Und China sei der größte Übeltäter.

Erinnerung an populistische Wahlkampfparolen

Ob die scharfe Rhetorik entsprechend harte politische Handlungen nach sich zieht, bleibt abzuwarten. Als Donald Trump am Montagabend ein Dekret unterzeichnete, das seinen Handelsbeauftragten anweist, die Methoden Chinas unter die Lupe zu nehmen, begleitete er den formellen Akt mit Tönen, die an populistische Wahlkampfparolen erinnerten.

Zu lange habe die politische Klasse Washingtons weggeschaut, während der Diebstahl geistigen Eigentums Amerika Millionen von Jobs und Milliarden an Dollars koste, wetterte der Präsident. "Doch Washington wird die Augen nicht länger verschließen."

Ist es der Auftakt zu einem Handelskrieg? Für den Moment lässt Trumps Memorandum eher an ein Damoklesschwert denken, das über den Köpfen schwebt und irgendwann herabfallen kann – oder auch nicht. Die gesetzliche Grundlage ist klar. Nach den Paragrafen 301 und 302 des Trade Act, eines 1974 vom Kongress beschlossenen Gesetzes, kann der Handelsbeauftragte der USA eine Untersuchung unter anderem dann anordnen, wenn es Hinweise auf den Diebstahl geistigen Eigentums durch ausländische Konkurrenten gibt.

China als Partner

In der Praxis ist es sehr viel komplizierter. Denn das Weiße Haus droht die handelspolitischen Daumenschrauben ausgerechnet zu einer Zeit anzuziehen, in der es China dringend als Partner braucht, um den Konflikt um die nordkoreanischen Atomwaffen zu lösen oder zumindest zu entschärfen.

Während Hardliner wie Ross oder Peter Navarro, ein erklärter Gegner weltweiten Freihandels, den Druck auf Peking erhöhen möchten, versucht Trumps außenpolitisches Team, einen gemeinsamen Nenner mit Peking zu finden. Es ist ein Drahtseilakt, dessen Ende wohl niemand seriös vorhersagen kann.

Warten auf Entscheidung

Interessanterweise betonen hohe Regierungsbeamte in Gesprächen mit Journalisten, dass es bis zu einem Jahr dauern kann, ehe Konkretes beschlossen wird. Wenn dies geschehe, dann erst nach Konsultationen mit China. Ob es mit Zollschranken oder aber mit einem Verhandlungskompromiss ende, sei völlig offen. Die Relativierungen lassen erahnen, wie kontrovers hinter den Kulissen des Weißen Hauses debattiert wird. Die Fraktion der "Globalisten", wie US-Medien sie nennen, angeführt von Gary Cohn, dem Chef des Wirtschaftsberatergremiums der Machtzentrale, fürchtet offenbar einen Präzedenzfall, der an den Grundpfeilern des Gebäudes der WTO, der Welthandelsorganisation, rütteln könnte.

Lässt Trump den Konflikt eskalieren und erhebt er irgendwann Zölle auf chinesische Waren, könnte der Respekt für das auf Regeln basierende System der WTO erodieren, warnt auch das "Wall Street Journal" in einem Leitartikel. Zudem könnte Peking seine Position als wichtigster Wirtschaftspartner ostasiatischer Nationen nutzen, um Washington in der Region an den Rand zu drängen. Der amerikanische Asienhandel, auch mit geopolitischen Verbündeten, würde Schaden nehmen. Ergo hätten die USA ein ausgeprägtes Interesse am Erhalt jener regelbasierten Strukturen, die sie selbst mit aufgebaut haben, schreibt das Blatt.

Frust sitzt tief

Andererseits sitzt der Frust über fragwürdige Praktiken Chinas tatsächlich tief. Dass ausländische Unternehmen Joint Ventures mit lokalen Firmen gründen und intellektuelles Eigentum mit ihnen teilen müssen, wenn sie in China investieren wollen, lässt Businessvertreter seit längerem grummeln.

Es ist ein Ärger, den etliche Politiker teilen, und zwar über Parteigrenzen hinweg. Da sind eher protektionistisch gesinnte Demokraten aus dem Rostgürtel der alten Industriegebiete, die kaum anders klingen als Trump selbst. Sherrod Brown, ein Senator aus Ohio, sieht im Dekret des Präsidenten ein unmissverständliches Signal an die Adresse Pekings. Da sind Republikaner, die traditionell die Fahne des Freihandels hochhielten, in diesem Fall indes für Härte plädieren – etwa Orrin Hatch, ein Senatsveteran aus Utah. Es sei richtig, sagt Hatch, China für den Diebstahl geistigen Eigentums zur Verantwortung zu ziehen.

China größter Gläubiger

Mitten in dem sich verschärfenden Handelskonflikt mit China ist das asiatische Land wieder größter Gläubiger der US-Regierung: Keinem anderen Land der Welt schuldet der US-amerikanische Staat so viel Geld wie China – insgesamt 1,15 Billionen Dollar (rund 980 Milliarden Euro).

So hoch bezifferte das US-Finanzministerium in einer am Dienstagabend veröffentlichten Statistik den Bestand an US-Staatsanleihen und anderen Schuldtiteln in chinesischen Händen Ende Juni. Ende Mai waren es noch rund 44 Milliarden Dollar weniger. (Frank Herrmann, 15.8.2017)