Die DNA einer menschlichen Zelle ist täglich von 10.000 spontanen Beschädigungen betroffen, doch effektive Reparaturmechanismen beheben die Fehler in den meisten Fällen.

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Wien – Leben heißt Fehler machen – das zeigt sich bereits auf Zellebene: "Die DNA einer einzigen menschlichen Zelle erfährt täglich an die 10.000 spontane Beschädigungen", sagt die Biochemikerin Dea Slade von der Universität Wien. Verursacht werden diese Schäden unter anderem durch körperinternes Versagen der DNA-Mechanismen wie etwa Fehler beim Kopieren der Erbinformation, aber auch durch externe Einflüsse wie Rauchen, radioaktive Strahlung oder UV-Strahlung. So kann etwa ein in der Sommersonne verbrachter Tag die Anzahl dieser DNA-Schäden um das Zehnfache erhöhen.

Dass der Mensch trotzdem überlebt, ist einem sehr effizienten körpereigenen Reparaturmechanismus zu verdanken. Er sorgt dafür, dass die informationstragenden Basenfolgen trotz aller Fehler und üblen Einflüsse über Tausende Generationen ihren Job optimal erledigen können.

Allerdings passiert es immer wieder, dass eine defekte DNA nicht repariert wird. "Dann kommt es zu Mutationen bei den nachfolgenden Zellen, was unter Umständen zu Krebs führen kann", sagt die Leiterin der Forschungsgruppe DNA Damage Response an den Max F. Perutz Laboratories, einem Joint Venture von Universität und Med-Uni Wien am Vienna Biocenter.

Hoffnung für Krebstherapie

"Mehr als die Hälfte aller Krebserkrankungen hat mit Mutationen von Genen zu tun." Mit der Erforschung des DNA-Reparaturmechanismus verbindet sich auch die Hoffnung auf neue, effektive Krebstherapien. Dieses Ziel steht hinter dem aktuellen, vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) geförderten Projekt der aus Zagreb stammenden Forscherin.

Zu diesem Zweck untersucht Slade mit ihrem Team sogenannte DNA-Doppelstrangbrüche, also Brüche beider Nukleotidketten der DNA in gesunden humanen Zellen und in Krebszellen. "Um die Vorgänge bei der DNA-Reparatur in menschlichen Zellen beobachten zu können, durchtrennen wir zunächst die DNA mit einem UV-Laserstrahl", berichtet Slade. "Da die Zelle dabei nicht abstirbt, können wir am lebenden Organismus beobachten, welches DNA-Reparaturprotein in der Folge wann und über welchen Pfad zum Ort der Schädigung heraneilt."

Mithilfe eines neuen, im Rahmen des Projekts entwickelten Systems können die Forscher nun erstmals zwei unterschiedliche "Troubleshooter"-Proteine gleichzeitig bei ihrer Reparaturarbeit in einer Zelle beobachten. Generell ist die "Schadensantwort" im Fall einer DNA-Beschädigung eine äußerst vielschichtige Angelegenheit: "Um den Reparaturverlauf zu eruieren, müssen wir wissen, welches Protein zuerst kommt, welches für den zweiten Schritt wichtig ist usw.", sagt Slade. Insgesamt sind zahlreiche Proteine mit verschiedenen Funktionen in den Reparaturprozess involviert, und sie erfüllen ihre jeweiligen Aufgaben auf unterschiedlichen Wegen.

Innovative Mikroskopie

Bei der Erforschung der komplizierten Mechanismen geht es neben der Reparatur selbst auch um das Erfassen von Signalen. "Damit wir die Vorgänge verstehen, müssen wir die Signale für die Proteinaktivierung kennen und wissen, welche Proteine für die DNA-Reparatur überhaupt wichtig und welche von ihnen wann und wie lange aktiv sind", so die Wissenschafterin.

Dass die Forscher diese hochkomplexen Vorgänge auf Zellebene überhaupt beobachten können, ist der engen und sehr erfolgreichen Kooperation mit Mikroskopie-Experten aus den Bereichen Bio-Optics und Advanced Microscopy Facility des Wiener Biocenters zu verdanken. "Das in Österreich einzigartige System zur simultanen Beobachtung von zwei Proteinen in Echtzeit ermöglicht uns, deren Zusammenspiel in verschiedenen Szenarien zu analysieren", sagt Slade über den nicht weniger wichtigen technischen Teil ihres Forschungsprojekts. "Dazu gab es bislang kaum Erkenntnisse, geschweige denn die dafür notwendige Technik."

Trotz des noch relativ bescheidenen Wissens über die zellulären Reparaturvorgänge sind seit einigen Jahren bereits Medikamente auf dem Markt, die an diesem Mechanismus ansetzen. Bei Brust- und Eierstockkrebs etwa kommt die sogenannte PARP-Therapie zum Einsatz, die nach den Enzymen PARP1 und PARP2 benannt wurde. Diese Behandlung ist allerdings mit beträchtlichen Nebenwirkungen verbunden, weil man noch nicht weiß, worauf das Medikament eigentlich genau abzielt. Dea Slade: "Mit unserer Forschung wollen wir das Wissen um die beteiligten Reparaturmechanismen verbessern und dadurch mithelfen, effektivere und zielsicherere Behandlungsmethoden zu entwickeln." (Doris Griesser, 17.8.2017)