Die Autobranche wird derzeit von mehreren Skandalen gebeutelt. Das trifft auch viele Aktionäre hart. Analysten sehen aber bereits Licht am Horizont.

Foto: AFP / Jim Watson

Wien – Noch vor wenigen Wochen schien wieder die Sonne auf die deutschen Autohersteller: Der Dieselskandal schien überwunden, der Dieselgipfel signalisierte, dass nur minimale Verluste drohen würden, und die Politik fügte sich dem Job-Argument. Mehr als 800.000 Beschäftigte und über 404 Milliarden Euro Umsatz sind schließlich nicht nur in einem Wahljahr schlagkräftige Argumente. Doch dann ging es Schlag auf Schlag: Die Klagewelle in den USA gegen den Volkswagen-Konzern, Daimler und BMW wegen Kartellverdachts nahm Fahrt auf, mindestens sechs Sammelklagen lagen vor. Absatzprobleme auf dem schwachen US-Markt drücken zusätzlich aufs Gemüt.

Gift für Aktien

Zusätzlich wurde die Lawine über unerlaubte Absprachen der großen Player der deutschen Autoindustrie, die das Magazin Der Spiegel losgetreten hatte, immer breiter. Fast zeitgleich bekannte in den USA Ex-Volkswagen-Manager Oliver Schmidt seine Mitschuld an den Abgasmanipulationen ein. Er gab zu, Teil einer Verschwörung zur Irreführung der US-Aufsichtsbehörden und zum Verstoß gegen Umweltgesetze gewesen zu sein. Eine Katastrophe für VW und Gift für die Aktie, die in den vergangenen sechs Monaten bereits mehr als acht Prozent an Wert verloren hat.

Auch bei BMW zeigen sich tiefe Bremsspuren: Zwar verlief die Präsentation der Quartalszahlen – Vorsteuergewinn 3,06 Milliarden Euro nach 2,80 Mrd. Euro im Vorjahr – höchst erfreulich, doch Aktionären schlottern die Knie. Denn beim BMW-Papier öffnet sich kurzfristig nicht nur ein neuer Abwärtstrend, sondern es droht auch ein Ausbruch unter das Unterstützungsniveau um 81,10 Euro, glauben die Analysten und Charttechniker der Citigroup. Am Chart hinterließ dieser Ausbruch nach unten nämlich ein Doppelhoch, was die Analysten als ein Signal erkennen, wonach es weiter nach unten geht. Daimler war von den Aktionären noch härter abgestraft worden, hier lag der Kursverlust heuer bereits bei 14 Prozent.

Hoffnungsschimmer

Doch viele Analysten sehen keineswegs schwarz für die deutsche Autoindustrie: Die Commerzbank hält eine technische Korrektur des starken Euro zum US-Dollar für möglich. Dann könnten die Autoaktien wieder Gas geben, besonders Daimler, wo nach den starken Kursverlusten eine Gegenbewegung fällig sei, erklärt ein Commerzbanker. Auch die Investmentbank Equinet sieht die Entwicklung nicht dunkelgrau und hat Daimler mit einem Kursziel von 76 Euro hochgestuft.

Von der Deutschen Bank gab es ebenfalls ein positives Testat für Daimler: Analyst Tim Rokossa sieht für alle deutschen Autobauer wertsteigernde strategische Optionen. Würden alle regulatorischen, rechtlichen und zyklischen Unsicherheiten berücksichtigt, könnte dies der einzig positive Kurstreiber für Autoaktien sein. Nur Jefferies senkt den Daumen – und das Kursziel für Daimler auf 51 Euro.

Kein Grund zu Jammern

Auch bei BMW sieht man à la longue wenig Grund zum Jammern; Rokossa hat die Bayern nach Zahlen zum zweiten Quartal ebenfalls hochgestuft; Kursziel 120 Euro. Die Kennziffern hätten erneut die im Branchenvergleich gute Kostenkontrolle des Autobauers gezeigt, und BMW bleibe der profitabelste deutsche Premiumhersteller. Ähnlich das Analysehaus Warburg Research: Der Titel bleibt hochgestuft, das Kursziel wurde aber von 107 auf 105 Euro gesenkt. Jefferies senkt das Kursziel für BMW auf 90 Euro, empfiehlt die Aktie aber weiterhin.

Bei VW sehen die Experten partout keinen Totalschaden: Die Analysten sind der Aktie gegenüber mehrheitlich positiv eingestellt. Jefferies und die Deutsche Bank geben sich neutral. Letztere sieht das Kursziel für Volkswagen-Vorzüge bei 160 Euro. Charttechniker warnen aber vor einem kurzfristigen Absturz bei Kursnotierungen unterhalb von 140 Euro: Der nächste Stopp wäre dann erst bei 100 Euro.

Die Autobranche wird derzeit von mehreren Skandalen gebeutelt. Das trifft auch viele Aktionäre hart, denn die Autopapiere haben einen kleinen Crash hinter sich. Analysten sehen aber bereits Licht am Horizont. (Reinhard Krémer, 19.8.2017)